Post zweier Literaten
Die Stefan-Andres-Gesellschaft hat die Erinnerung an den bekannten Autor wieder aufleben lassen. Ehrenmitglied Günther Nicolin stellte ein von ihm herausgegebenes Buch vor, das einen 35 Jahre währenden Briefwechsel zwischen Stefan Andres und Ernst Jünger dokumentiert.
Schweich. Vor 70 Jahren, 1937, begann eine Beziehung zweier Literaten mit sehr unterschiedlichem Hintergrund. Der eine war Stefan Andres, der andere Ernst Jünger. Letzterer hatte "Das abenteuerliche Herz, Aufzeichnungen bei Tag und Nacht" herausgegeben, dessen Lektüre Stefan Andres in einer persönlichen Krisenzeit zur Kontaktaufnahme mit Jünger bewog. Das geht aus Postkarten und Briefen Jüngers hervor, die Günther Nicolin, Ehrenmitglied der Stefan-Andres-Gesellschaft im Nachlass Andres' im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar gefunden hat. Zu seiner Überraschung förderten Recherchen ein Bündel mit Andres-Briefen zu Tage, die einen freundschaftlichen Austausch bis zum Tode Andres 1970 dokumentieren. Nicolin hat die Korrespondenz im Einverständnis mit den Nachkommen der Autoren gesammelt, ausgewertet, kommentiert und im Klett-Cotta Verlag als Buch herausgegeben. Den mit Faksimiles der unterschiedlichen Handschriften und gezeichneten Porträts schön ausgestalteten Band stellte er jetzt einem großen Publikum, darunter der letzten lebenden Tochter Stefan Andres, Ima Röscheid, im "Niederprümer Hof" in Schweich vor. Eine fesselnde Lesung mit Einblicken in Zeitgeschehen und entsprechende Befindlichkeit: "Als die Korrespondenz 1937 begann, war die Welt für beide sehr bedrohlich", kommentierte Nicolin. Not und Bedrohung durch das NS-Regime
Jünger, den die NSDAP mehrfach für sich einspannen wollte, der sich aber trotz Sympathien für nationalrevolutionäre Ideen vom totalitären Regime Hitlers distanzierte, hatte mehrere Hausdurchsuchungen der Gestapo erlebt. Andres befand sich in existenzieller Not, denn seine Ablehnung des NS-Regimes hatte ihn in Isolation getrieben. "Ich bin dem seelischen Erstickungstod nah", schrieb er Jünger im ersten Brief, in dem er sich tief beeindruckt von einer im "abenteuerlichen Herz" formulierten ermutigenden, dem christlichen Ideal nahen Weltsicht zeigt. Als Dank schickte er Jünger Novellen und Gedichte. Im sich daraufhin entwickelnden Austausch betonen die Autoren ihre geistige Übereinstimmung in der Ablehnung der politischen Verhältnisse. "Die Wirkung unserer Zeit erinnert mich an zentrifugale Vorgänge, Partikel von höherem Gewicht werden an den Rand geschleudert", schreibt Jünger als Kommentar zu einem Werk Andres. Andres bemerkt: "Ich empfinde die Welt ähnlich, sonst hätte ich die Novelle nicht schicken können." Besonders Andres, der nach Italien emigriert ist, erneuert den Kontakt immer wieder, auch als nach dem Krieg Jünger vom Publikationsverbot betroffen ist. Eine erst späte persönliche Begegnung vertieft die Beziehung, zumal beide Männer Schicksalsschläge durch den Tod je eines ihrer Kinder hinnehmen mussten. Trotz solch privater Inhalte bieten ihre Briefe keine Nahrung für Voyeurismus, heben vielmehr persönliche Gedanken, Empfindungen und Reflektionen auf ein literarisches Niveau.Das Buch Ernst Jünger/Stefan Andres: Briefe 1937-1970, herausgegeben von Günther Nicolin ist im Klett-Cotta Verlag erscheinen und kostet 21,50 Euro.