Rund um den Turm von St. Martin

ENSCH. Die etwa 480 Einwohner zählende Gemeinde Ensch ist ein typisches Moseldorf: Auf der einen Seite der Fluss, auf der anderen Seite die grünen Weinbergshänge. Ein Ort in touristenanlockender Traumlage. Und wer sich herumführen lässt, dem bieten sich viele Entdeckungen und Überraschungen.

Die Bewohner eines Moselorts mit zehn Vollerwerbs- und rund 20 Nebenerwerbs-Winzern Ende September zu einem Nachmittagsrundgang aufzurufen, birgt ein Risiko: Der Besucher könnte alleine dastehen, weil die meisten aus dem Dorf gerade bei der Weinlese sind, sofern sie ohnehin nicht "in der Stadt" arbeiten. Doch das Experiment in Ensch gelingt. Vor dem Bürgerhaus, ehemals die Dorfschule, haben sich Ortsbürgermeister Lothar Schätter, Heimatverein-Vorsitzender Fritz Arenth sowie die Bewohner Arno Lentes und Hermann Stein eingefunden. Ursprünglich hatten noch einige Interessierte mehr kommen wollen, ist zu erfahren, aber dann sei denen doch wieder etwas dazwischen gekommen. Neugestaltung in drei Phasen

"Unsere Infrastruktur ist besser als in vielen anderen Orten", heißt es, während es über Straßen geht, die deutlich von einer großen Dorferneuerung geprägt sind. Hingewiesen wird auf die 1600 erbaute Zehntscheune, das vermutlich älteste erhaltene Gebäude. Einst mussten dort die Enscher ihre Steuer an das Trierer Stift St. Paulin in Naturalien hinterlegen - damals wohl kaum ein beliebtes Bauwerk im Ort. Die besagte Neugestaltung verläuft in drei Phasen: Anfang der 90er-Jahre wurde zunächst der Ortskern in Angriff genommen, weitere Bereiche folgten 2003, und in Kürze beginnt die dritte Erneuerungsphase. Die Bemühungen um das Dorfbild, bei denen sich auch zahlreiche Hausbesitzer engagierten, wurden belohnt: 2005 erreichte Ensch die Hauptklasse im Landeswettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden - Unser Dorf hat Zukunft". Mit dem Preisgeld erwarb die Gemeinde wiederum Bäume zur weiteren Begrünung. Ortsbürgermeister Schätter weist auf die Metzgereifiliale hin, in der auch andere Lebensmittel des täglichen Bedarfs erhältlich sind. Oder auf die sechs Gastronomiebetriebe, einen Elektrohandel, verschiedene Handwerksbetriebe, ein Fitness-Studio und eine Physiotherapiepraxis. Ein sehr wichtiger Faktor in Ensch ist der Tourismus: Der von einem jungen Paar am Moselufer betriebene Wohnmobilplatz zahle sich auch für das Dorf aus, wird versichert. Ausgeschilderte Wanderwege, ein Golfplatz, ein Reitstall und das ehemalige Backhaus an der Martinstraße, das der Heimatverein zum Museum umgestaltet hat. Quer gegenüber steht ein denkmalgeschütztes historisches Wohnhaus. Die Gemeinde hat das heruntergekommene Anwesen erworben. Nun gibt es Pläne: Ein Backshop mit Café soll dort hinein, ein weiteres Heimatmuseum, und der Platz davor soll neu gestaltet werden. Als zentraler Dorfmittelpunkt, wo schon bisher alle zwei Jahre das Weinfest stattfindet, dessen Erlös gemeinnützigen Projekten zugute kommt. Die 1838 erbaute Kirche St. Martin - "die ist eigentlich für unser Dorf viel zu groß" - ist zweimal im Jahr Schauplatz kultureller Ereignisse, die weit über Ensch hinaus strahlen. Das große Chorkonzert der Martinus-Gruppe, einem besonderen Enscher Ensemble, und das Adventskonzert der örtlichen kulturschaffenden Vereine. Weit über den Enscher Dächern liegt ein Ort, den man dem Besucher nicht vorenthalten will: Das Martinskreuz auf der Höhe. Schon die Aussicht vom steinernen Kreuz hinunter ins Moseltal lohnt den Ausflug - wobei in dem Fall der geländegängige Van des Ortsbürgermeisters den kurvenreichen Aufstieg durch den Gemeindewald erleichtert. Die Aussicht vom Martinskreuz lässt sich aber erst seit kurzem wieder genießen. Der Ort auf der Höhe war von dichter Vegetation umgeben, bis ihn engagierte Enscher 2005 wieder freilegten und noch zwei Ruhebänke beisteuerten. Auch installierte die Privatinitiative eine solarbetriebene Beleuchtungsanlage, die das Kreuz, das nun von der Ortsgemeinde renoviert wurde, in der Dunkelheit anstrahlt. Man ist stolz auf das Erreichte, auch wenn da und dort Verzicht gefordert wird: Die Kleinsten müssen den Köwericher Kindergarten besuchen, bevor es zur Grundschule nach Klüsserath geht. Die zunehmenden Weinbergsbrachen bereiten - wie anderswo auch - Kopfzerbrechen. Und die B 53 vor der Ortseinfahrt gilt als "unfallträchtiges Pflaster": unübersichtlich, keine Abbiegespuren und kein Überholverbot. Doch die schon so oft angesprochenen Fachämter reagieren nicht. Doch die Bundesstraße, die auf einem Damm am Ort vorbeiführt, hat auch ihr Gutes. "Der Damm hat uns bisher immer vor Hochwasser bewahrt", sagen die Enscher.

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