Schule: Vorsicht Fischteich-Effekt!

Was tun, wenn die Tochter in der Klasse ausgegrenzt wird? Wie lange sollte ein Erstklässler Hausaufgaben machen? Schulpsychologin Kerstin Sperber und Psychologe Jochen Fredrich gaben unseren Leserinnen und Lesern wertvolle Tipps zum Thema "Schule".

Trier. (kat) Unser Sohn ist jetzt in der fünften Klasse. Er war immer ein sehr guter Grundschüler und aufgeschlossen. Seit Beginn des Schuljahres ist er ängstlich, unsicher und weint jeden Morgen.

Kerstin Sperber, Schulpsychologin am Auguste-Viktoria-Gymnasium in Trier: Grundsätzlich gilt: Nehmen Sie Ihr Kind ernst und beobachten Sie es! Geben Sie ihm Zeit, sich in die neue Situation einzufinden! Was Sie beschreiben, könnten normale Anpassungsschwierigkeiten in dem Übergang von der Grundschule zum Gymnasium sein. Der Übergang ist ein sehr großer Entwicklungsschritt für Kinder. Sie müssen viel Neues verarbeiten: neue Klassenkameraden, neue Fächer, einen neuen Tagesablauf und neue Lehrer. Das nennt man in der Fachsprache "big-fish-little-pond"-Effekt. Das bedeutet, Ihr Sohn war in der Grundschule gut aufgehoben, ein großer Fisch im kleinen Teich, und jetzt sind viele große Fische in einem noch größeren Teich. Das heißt: Die Vergleichsgruppe änderte sich für das Kind und geht oft einher mit Einbußen im Selbstkonzept. Das Kind fühlt sich schlechter, hat Angst und kann auch psychosomatische Auffälligkeiten zeigen. Wichtig ist, mit den Lehrern zu sprechen, dass sie ihn stärken und auch fachbezogen motivieren können. Das Regeln des Fachlichen macht das Kind sicherer, was wiederum das Selbstwertgefühl stabilisieren kann.

Helfen Sie Ihrem Sohn, neue Routinen auszubilden! Auch das braucht Zeit. Zuhause können Sie schöne Rituale einführen: etwa zehn Minuten früher wecken und nochmals kuscheln oder ihm einen Talisman mitgeben, damit er sich sicher und getröstet fühlt. Und ermutigen Sie Ihren Sohn, durchzuhalten und die Situation zu bewältigen!

Unsere 14-jährige Tochter ist eine sehr gute Schülerin, aber sie ist sehr schüchtern, und sie ist eine Außenseiterin in ihrer Klasse. Zwei Mädchen ärgern sie ständig. Hinzu kommt, dass sie sich selbst sehr unter Druck setzt, und manchmal habe ich das Gefühl, dass sie sich gerne im Mitleid suhlt.

Kerstin Sperber: An zwei Aspekten könnte man ansetzen: Zum einen ist es hilfreich, wenn Ihre Tochter über zwei bis drei Wochen ein Tagebuch führt. Sie sollte darin notieren, was vorgefallen ist, was sie gedacht, gefühlt, gesagt und getan hat. Diese Aufzeichnungen kann sie nutzen, um etwa Unterstützung bei Lehrern einzufordern. Wichtig ist, dass sie nicht in der Opferrolle bleibt und sich Hilfe sucht. Zum anderen ist es von Bedeutung, dass das Selbstwertgefühl Ihrer Tochter gestärkt wird und sie mehr Stabilität erlangt. Helfen kann dabei, die eigenen Gedankenmuster zu hinterfragen und nicht nur das Negative zu sehen und überzubetonen.

Dies ist ein langer Prozess, der mit psychotherapeutischer Unterstützung erfolgen sollte. Dabei sollten die Hauptbezugspersonen in die Gespräche einbezogen werden.

Mein Enkel ist in der ersten Klasse. Um 12 Uhr kommt er zu mir, um zu essen und um die Hausaufgaben zu machen. Soll ich mich während der Hausaufgaben neben ihn setzen? Und wie lange sollten sie dauern?

Jochen Fredrich, Psychologe Palais e.V. in Trier: Wenn er nach Hause kommt, können Sie ihm eine Pause von ein bis zwei Stunden zugestehen. Aber er sollte die Hausaufgaben machen, bevor er zum Spielen rausgeht. In der ersten Klasse sollten die Hausaufgaben nicht länger als eine halbe Stunde dauern. Ihr Enkel sollte die Hausaufgaben alleine machen, und Sie sollten ihm erst Hilfe geben, wenn er sie einfordert. Das Kind, nicht die Oma muss die Hausaufgaben erledigen!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort