Sind wir nicht alle ein bisschen Aach? - Uni Trier stellt Studie vor

Aach · Aach ist, wie es ist. Und wie es ist, haben Studenten und Soziologie-Professoren der Universität Trier untersucht. Die Ergebnisse aus zwei Jahren Arbeit haben sie der Dorfgemeinschaft vorgestellt. Daraus müssen die Bürger nun ihre Schlüsse ziehen. Einige von ihnen sind bereit, am Zusammenleben im Ort zu arbeiten und gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

 Was mag die Zukunft den Bewohnern von Aach bringen? Darauf haben sie auch selbst einen Einfluss. TV-Foto: Harald Jansen

Was mag die Zukunft den Bewohnern von Aach bringen? Darauf haben sie auch selbst einen Einfluss. TV-Foto: Harald Jansen

Foto: (h_tl )

Aach. So wie in Aach leben 38 Prozent der Deutschen, die in einem Ort auf dem Land wohnen. Aach ist ein typisches Dorf. Und trotzdem ist es etwas Besonderes, denn zwei Jahre lang haben Studenten und Professoren der Uni Trier das Leben in der Gemeinde untersucht. Das Leben wie es ist, unverfälscht und ungeschönt. Die Ergebnisse können dazu dienen, hinzusehen, Schwachstellen im Ort zu erkennen und zu beseitigen. Wenn es die Bewohner interessiert. Wenigstens etwa 65 von ihnen lassen sich so in der Gemeindehalle von den beiden Soziologie-Professoren Johannes Knopp und Waldemar Vogelgesang vor Augen führen, wie die Situation ist. Insgesamt hat Aach aber circa 1100 Einwohner.Studie kostet 20 000 Euro


Für Ralf Kierspel scheint das ein Abbild der Realität zu sein. "Manche interessiert's, manche nicht", sagt der ehemalige Ortsbürgermeister. Und nimmt damit eines der Ergebnisse vorweg. Diejenigen, die sich Aach nicht verbunden fühlen, werden nicht durch eine solche Studie, die immerhin für 20 000 Euro angefertigt wurde, erreicht. Ein Großteil davon will dies auch gar nicht. Es sind Menschen, die in Aach wohnen, aber nicht leben. Sie sind eher nach Trier oder Luxemburg orientiert, sogenannte "anonyme Aacher". Für die Befragung als Studiengrundlage waren laut Professor Knopp eher die zu gewinnen, die sich sowieso ins Dorfleben einbringen.
Auch wenn Einkaufsmöglichkeiten, Versorgung mit Ärzten oder Busanbindung als schlecht und negativ empfunden werden, die Aacher schätzen mehrheitlich ihr Dorf und bewerten ihr Leben dort als gut. Nur das Erscheinungsbild des Orts ist 76 Prozent der Befragten ein Dorn im Auge: marode Häuserfassaden, kaputte Straßen, der Weiherplatz als Schandfleck. Umgestaltungswünsche gibt es zwar, Lösungen dafür sind aber noch nicht gefunden. Und bevor es ein neues Dorfzentrum gibt, gilt es zunächst, den Zerfall der Dorfgemeinschaft aufzuhalten. Ein Schritt dazu war 2011 die Gründung des Vereins Aacher Dorfgemeinschaft. Aus der Arbeit an der Studie ist außerdem die Idee entstanden, 2016 einen Gemeinschaftstag zu organisieren. "Eine Dorfrallye, ein Dorfquiz, mit Kindern Aacher Platt sprechen, die Geschichte von Aach kennenlernen, Neuzugezogene sollen sich informieren können", umreißt Eva Schanen mögliche Aktionen. Sie gehört zu einer Gruppe, die sich bereits bei vier Treffen damit beschäftigt hat. Nächstes Treffen ist am 16. Dezember. "Es macht richtig Spaß. Macht mit", sagt Schanen. Auch die Arbeitsgruppe, die für die Studie begonnen hat, die Geschichte der Juden in Aach zu erforschen, will weitermachen. Ein Ergebnis könnte im kommenden Frühjahr ein Rundgang zu Häusern sein, in denen jüdische Mitbürger gelebt haben. Und weitere Dorfbewohner haben sich zusammengefunden, die das Aacher Platt pflegen wollen und ein Dorftheater planen.
Dass sie an ihrem Dorf und einem Neustart für die Gemeinschaft interessiert sind, darauf schwören sich die 65 Anwesenden zum Schluss mit dem Singen der Aacher Hymne ein: "Hier wollen wir leben, wollen fröhlich sein und uns auf jeden Tag im schönen Aach freuen." Ob der Gesang ungehört verhallt oder er aus der Gemeindehalle bis in die Häuser der übrigen 1000 Dorfbewohner hallt, das müssen die Aacher in den kommenden Jahren beweisen.Meinung

Dorf braucht einen Masterplan
Stellen Sie sich vor, die Uni kommt ins Dorf und sagt Ihnen, wie Sie leben. Als ob die Aacher das nicht selbst wüssten, könnte man sich denken. Doch ein objektiver Blick von außen, eine andere Perspektive fördert oft Wahrheiten zutage, die sonst verstellt durch den Alltag nicht mehr gesehen werden. Die Studie der Universität serviert der Gemeinde zwar keine Alles-drin-Alles-dran-Lösungen, damit die Gemeinschaft sich neu findet. Aber sie deckt Defizite auf. Das ist der erste Schritt, um nicht weiter bei den Fehlern der Vergangenheit zu verharren. Doch von 1100 Aachern interessiert das gerade einmal 65. Gelingt es den Aachern nicht, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und an sich zu arbeiten, nützt auch das Singen des Aacher Lieds nichts mehr. Denn wozu braucht eine Gemeinde eine Dorfhymne, wenn es keine Stimmen gibt, die sie klingen lassen, und keine Ohren, die sie hören wollen? Ein Gemeinschaftstag, ein Dorftheater, ein historischer Rundgang - das können nur erste Schritte sein, um die Gemeinde in die Zukunft zu führen. Was das Dorf braucht, ist ein Masterplan. Denn sonst ist eine Studie wie die der Uni nur das Papier wert, auf der sie gedruckt ist. c.fischer@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort