Treiben's die Jäger zu bunt?

Mindestens zwei Wildunfälle ereigneten sich am Samstag auf der K 12 zwischen Waldrach und Gutweiler. Ausgelöst durch eine Treibjagd seien Säue panikartig auf die Straße gerannt, sagen Augenzeugen.

Gutweiler/Waldrach. Samstag, 14 Uhr: Das Ehepaar Hildegard und Winfried Rigort aus Gutweiler ist mit dem Auto auf der Kreisstraße 12 Richtung Heimat unterwegs. Kurz hinter der Ortsausfahrt Waldrach taucht plötzlich unter der Leitplanke ein Schatten auf, Sekundenbruchteile später kracht's auch schon. Die Rigorts haben eine Wildsau erfasst; das Tier ist sofort tot. Den Schock hat das unverletzt gebliebene Rentnerpaar relativ schnell verkraftet, ebenso die Schadenshöhe von mehreren Tausend Euro; was die Rigorts jedoch in helle Aufregung versetzt, waren die Umstände, die zu dem Unfall führten. In unmittelbarer Nähe fand nämlich eine Treibjagd statt, und während die beiden auf die telefonisch benachrichtigte Polizei warteten, überquerten weitere Tiere die Fahrbahn. "Ich habe mindestens acht Säue und zwei Rehe gesehen, die panikartig rübergelaufen kamen", sagt Hildegard Rigort. "Nicht auszudenken, was in dieser Zeit alles hätte an Verkehrsunfällen passieren können."Aufgescheucht durch die auf der Höhe bei Morscheid lautstark agierenden Treiber, war eine Rotte offenbar den Hang hinuntergelaufen, hatte die Ruwer und dann die Kreisstraße überquert.Man habe die Tiere seitlich in Richtung Sommerau treiben wollen, sagt Berufsjäger Werner Traube. Er hatte die Treibjagd (30 Säue wurden zur Strecke gebracht) im Auftrag eines luxemburgischen Jagdpächters organisiert. Man könne allerdings nie ausschließen, dass Tiere in Dörfer oder auf Straßen ausbüxten. Um die stark gestiegene Population des Schwarzwildes in Grenzen zu halten, seien Treibjagden erforderlich, so Traube, mit Einzeljagden könne man nicht viel ausrichten. Erst kürzlich habe eine Rotte auf dem Anwesen einer Familie in Riveris große Schäden angerichtet (der TV berichtete). Bei der Suche nach dem beim Unfall abgerissenen Nummernschild entdeckte Winfried Rigort eine weitere tote Sau im Straßengraben; also musste es einen zweiten Unfall gegeben haben. Dieser war aber nicht der Polizei gemeldet worden. Der nach einer Stunde zur Unfallaufnahme erschienene Beamte habe ihnen sogar eine Mitschuld an dem Unfall gegeben, empören sich die Rigorts. Durch das Warnschild "Treibjagd" seien die Autofahrer gehalten, jederzeit so zu fahren, dass man schnell anhalten könne, habe sie der Polizist belehrt. "Wie soll das denn gehen", fragt Winfried Rigort, "hier brettert doch jeder mit 80 bis 100 Stundenkilometer durch." Ein kleines, ebenerdig aufgestelltes Warndreieck ist seiner Meinung nach keine ausreichende Sicherung für eine Treibjagd. MeinungKeine Bagatelle In den vergangenen Jahren haben die Schäden zugenommen, die Wildsäue in der Landwirtschaft und in Hausgärten anrichten. Um die Population in Grenzen zu halten, müssen Jäger deshalb verstärkt auf die Jagd gehen. Viele Gemeinden bestehen mittlerweile sogar darauf, dass ihre Jagdpächter regelmäßig Treibjagden veranstalten. Das Beispiel Waldrach wirft jedoch die Frage auf, ob dabei alles getan wird, um die Bevölkerung zu schützen. Eine Jagd ist kein Kirmes-Schießen, und ein 200-Kilo-Eber, der vor ein Auto läuft, keine Bagatelle. Einen Rundumschutz kann es nicht geben, weil Tiere unberechenbar sind, aber es kann auch nicht angehen, dass die Jagdgesellschaft sich aller Verantwortung entledigt, indem sie nur irgendwo ein kleines Hinweisschildchen mit der Aufschrift "Treibjagd" platziert und eine Kurznotiz im Amtsblatt veröffentlicht. Wenn es aber um die Sicherheit von Menschen geht, sollte man erwarten dürfen, dass sich die Beteiligten (Jagdpächter, Gemeinde, Ordnungsbehörde) auf geeignete Maßnahmen verständigen, sei es ein Tempolimit oder seien es Helfer, die einen Straßenabschnitt abschirmen. a.follmann@volksfreund.de

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