Unwiederbringlich dem Boden entrissen

Anders als angekündigt, wird die auf dem Paulinus-Gelände ausgegrabene antike Architektur nicht in den Baukörper der Trier-Galerie integriert. Archäologen bedauern den Verlust der Bodenschätze.

Trier. Dort, wo in Trier im ersten Jahrhundert nach Christus die Hauptstraße Richtung Süden zum Viehmarkt verlief, rollen zurzeit Bagger und Raupen über breite Baustellenstraßen. Wo ein reicher Kaufmann in der Spätantike sein privates Badehaus hatte, wurden in den vergangenen Wochen Betonplatten gegossen. Bautiefen nicht beeinflussbar

Nichts ist übrig geblieben von den Resten der Laubengänge links und rechts der Geschäftsstraße, den Becken und Heizsystemen des Badehauses und den mittelalterlichen Säulen, die das Rheinische Landesmuseum zusammen mit Archäologen der Universität Trier im vergangenen Sommer auf dem ehemaligen Paulinus-Gelände zwischen Metzel- und Fleischstraße freigelegt hatte.Das riesige Loch - Triers größte Baustelle - bringt Winfried Weber, Archäologe und Leiter des Bischöflichen Museums, in Rage: "Es gab ganz hervorragende Befunde, jetzt ist die Grube wie leer gefegt von den römischen Denkmälern", kritisiert das Mitglied des städtischen Denkmalpflegebeirats.Tatsächlich hatten die Grabungsleiter von Landesmuseum und Uni im vergangenen September angekündigt, dass der Berliner Projektentwickler Trigon die Bereitschaft signalisiert habe, einige der ausgegrabenen antiken Mauerteile und Säulenelemente in die Architektur des Einkaufscenters zu integrieren (der TV berichtete). Doch daraus ist nichts geworden: "Bautiefe und Funktionalität der Trier-Galerie machen es unmöglich, dass die Grabungsfunde an ihrem Fundort belassen werden können", bestätigte Trigon-Projektentwicklerin Andrea Meyer am Mittwoch dem TV. So mussten die antiken Bauteile sämtlich geborgen und im Magazin des Landesmuseums untergebracht werden. "Ein ausgegrabenes Fundgut ist unwiederbringlich aus seinem geschichtlichen Zusammenhang gerissen, der dokumentarische Wert geht verloren", bedauert Joachim Hupe, Archäologe und Grabungsleiter. Acht Monate lang haben Hupe und sein Team auf dem Gelände der ehemaligen Paulinus-Druckerei gegraben - zu wenig, laut Hupe. Besonders für eingehende Untersuchungen des spätantiken Bads sei keine Zeit geblieben. Dabei sei das Bad nicht wegen seiner Einzigartigkeit besonders wertvoll gewesen, sondern wegen seiner Zusammensetzung: "Die nebeneinander liegenden Becken mit darunter liegendem Heizsystem hätte in Schichten abgetragen werden müssen, um die Baugeschichte genau nachvollziehen zu können", erklärt Hupe."Keine freie Hand für Investoren"

Doch die Verträge mit Stadt und Landesdenkmalpflege ließen weder eine weitere Ausweitung der Grabungszeit noch nachträgliche Bauvorschriften an die Trigon zu. "Die Verträge sehen nicht die Möglichkeit vor, nach der vereinbarten Grabungszeit noch auf den Investor hinsichtlich Änderungen der Bebauungspläne einzuwirken", bestätigt Meyer von der Trigon und versichert: "Hätten sich ganz außergewöhnliche Funde ergeben, bei denen sich etwa die Unesco eingeschaltet hätte, wäre der Investor sicherlich zu nachträglichen Vereinbarungen bereit gewesen."Archäologe Weber ärgern diese Vertragsbedingungen: "Es darf nicht sein, dass Investoren nach Ablauf der Grabungszeit freie Hand haben, das kommt einem Ausverkauf der Trierer Bodendenkmäler gleich!" Damit wertvolle Funde im Boden belassen werden könnten, müsste es möglich sein, nachträglich auf geplante Bautiefen einwirken zu können. "So ein Einkaufszentrum steht vielleicht 50 bis 80 Jahre - die antiken Bodenschätze sind dafür für immer ihrem Ursprung entrissen!" Meinung Schutz für Triers größtes Kapital Nur noch die Aufzeichnungen der Archäologen zeugen davon, wie es im wohl nobelsten Stadtviertel des antiken Triers einmal ausgesehen hat. Die Vollständigkeit der ausgegrabenen, flächendeckenden Siedlungsstrukturen, die die Grabung wertvoll gemacht hat, ist durch die tiefe Unterkellerung der künftigen Trier-Galerie zerstört worden. Hätte das Gebäude weniger "Tiefgang", hätten die antiken Architekturreste, die teilweise seit 2000 Jahren dort ruhten, in der Erde verbleiben können. Und spätere Generationen hätten beim Abriss der Trier-Galerie vielleicht mit verbesserten Grabungstechniken und höherem Etat für Denkmalpflege als heute die Bodenschätze adäquat würdigen können. Dass die Trigon antike Bauteile der Grabungsstätte in den Gängen des Einkaufszentrums in Vitrinen ausstellen will, tröstet da zwar, ist aber kaum ein Ersatz für die verlorenen Denkmäler. Auch, wenn dem Trier-Galerie-Investor das unkalkulierbare Risiko, das durch nachträgliche Bauplanänderungen durch Stadtverwaltung und Denkmalpflege entstehen würde, zu groß gewesen wäre und das ehemalige Druckerei-Gelände noch länger brach gelegen hätte: Die einzigartigen Bodenschätze sind Triers größtes und einzigartiges Kapital. Investoreninteressen dürfen es nicht zerstören. c.wolff@volksfreund.de

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