Vom Feminismus zum Schabbat

SCHWEICH. Aus ihrem jüngsten Buch "Meine Sprache wohnt woanders" hat die 1979 aus Deutschland nach Israel ausgewanderte und in Jerusalem lebende Schriftstellerin Lea Fleischmann in der Synagoge Schweich gelesen. In ihren Texten bringt sie ihre von starkem Glauben und Teilhabe an jüdischem Gemeindeleben geprägte Sicht des Lebens in Israel nahe.

Kaum ein Ort wäre geeigneter für eine Lesung mit Lea Fleischmann gewesen als die Synagoge in Schweich. Ein Lob, das die Schriftstellerin selbst Karl-Heinz Weichert, dem Leiter der Kreisvolkshochschule Trier-Saarburg, Sabine Bintz von der VHS Schweich und Beate Barg vom Dekanat Schweich-Welschbillig aussprach, die zu diesem, dem christlich-jüdischen Dialog gewidmeten, Abend geladen hatten. Zwar war nur ein kleines Publikum gekommen. Dafür war es um so interessierter: unter den Gästen waren Vertreter der Jüdischen Kultusgemeinde Trier, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Trier, der Landeszentrale für politische Bildung, des Emil-Frank-Instituts Wittlich und der KEB-Fachstelle Trier. Und so herrschte aufmerksame Stille, als Lea Fleischmann sichtlich in sich ruhend mit leiser Stimme zu lesen begann. Im Buch "Meine Sprache wohnt woanders" beschreiben sie und Co-Autor Chaim Noll, der aus Ostdeutschland und mit einem kommunistischen Hintergrund nach Israel ausgewandert ist, persönliche Erfahrungen in der neuen Heimat. Sie wollte alle vom Feminismus überzeugen

Die Beschreibungen Lea Fleischmanns konzentrieren sich auf den Einfluss, den eine starke Hinwendung zum Glauben auf ihr Leben genommen hat. Im Kapitel "Vom Feminismus zum Schabbat" schildert die ehemalige Lehrerin, wie sie Ende der 70er-Jahre in Deutschland vom Feminismus beseelt gewesen sei und dafür Ehe und Familie geopfert habe. Dazu sei ein innerliches Aufbegehren gegen den Radikalenerlass von 1972 und andere als ungerecht empfundene Einschränkungen gekommen, was schließlich dazu geführt habe, nach Israel zu gehen. Sie sei bereit gewesen, dort jeden vom Feminismus zu überzeugen, habe aber die Sprache nicht gesprochen. "Als ich sie dann konnte, hatte ich etwas anderes gelernt". In Nachbarschaft eines orthodoxen Viertels habe sie zum Schabbat gefunden, sich anstecken lassen von der Feierlichkeit der rituellen Handlungen, von Freude und familiärem Zusammenhalt. Seither zelebriere sie diesen für sie heiligen Feiertag selbst und genieße die Ruhe ohne Telefon, Radio oder Auto. Inzwischen habe sie sich fest einer Gemeinde angeschlossen. Immer wieder tauchen Wendungen wie "Trost beim Schöpfer", "Zuversicht" oder "Angst kann bei Gottvertauen nichts anhaben" auf, die davon künden, wie untrennbar Fleischmanns Leben nun mit dem jüdischen Glauben verbunden ist. Er habe ihr geholfen, ihre Mitte zu finden und Israel trotz all seiner Widersprüche und Spannungen als gelobtes Land zu sehen, in dem Gott überall im Alltag präsent sei. Vergleiche zu Deutschland, das sie auf ihren Lesereisen besucht, fallen entsprechend nüchtern aus, und gelegentlich bricht sich so etwas wie missionarischer Bekehrungswille Bahn. Wenn zum Beispiel von verkaufsoffenen Sonntagen als Tanz ums goldene Kalb die Rede ist, oder eine Verkäuferin, die Angst vor Würdeverlust bei Arbeitslosigkeit hat, mitleidig als jemand bedauert wird, der es einfach nicht besser weiß. Zwar wird deutlich, dass Fleischmanns erklärter Wille, "den Menschen etwas von dieser religiösen Welt zu bringen, die Thora zu lehren", aus tiefster Überzeugung kommt, doch weniger religiösen Zuhörern bleibt dieses Ansinnen fremd. Dennoch bleibt nach diesem Abend Achtung vor einer Frau, die ihr Leben in jeder Hinsicht konsequent lebt.

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