Wasserschutz bremst Landwirte aus

Trier/Bonerath/Osburg · Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord legt die Kriterien für das Umfeld der Riveristalsperre neu fest. Die Verbote zum Schutz des Trinkwassers sind viel strenger als bisher. Teilweise sind keine Tierhaltung und kein Ackerbau mehr möglich. Landwirte fürchten um ihre Existenz.

 Fast bis an den Rand gefüllt ist die Riveris-Talsperre der Stadtwerke Trier (SWT), wie dieser Blick aus der Vogelperspektive zeigt. Foto: Portaflug Föhren

Fast bis an den Rand gefüllt ist die Riveris-Talsperre der Stadtwerke Trier (SWT), wie dieser Blick aus der Vogelperspektive zeigt. Foto: Portaflug Föhren

Foto: (h_tl )

Trier/Bonerath/Osburg. Der Langeichhof von Gudrun Koltes liegt auf einer Anhöhe bei Bonerath. In nordöstlicher Richtung sieht man in der Ferne Häuser von Osburg, dazwischen ist ein bewaldetes Tal. Darin eingebettet liegt die Riveristalsperre. Hier wird das Trinkwasser entnommen und aufbereitet, das die Bevölkerung der Stadt Trier und der Verbandsgemeinde Ruwer versorgt. Gudrun Koltes und andere Landwirte aus dem Raum Bonerath-Morscheid-Osburg, deren Weiden und Äcker im 22 Quadratkilometer großen Wassergewinnungsgebiet der Talsperre liegen, bangen um ihre berufliche Zukunft. Schuld daran ist die Riveristalsperre - oder besser gesagt die Neufestsetzung des dortigen Wasserschutzgebiets durch die SGD Nord. Die Behörde will das Ausbringen von tierischem Dünger wie Gülle und Mist generell verbieten. Auch Mineraldünger darf in der Landwirtschaft nicht mehr eingesetzt werden, sofern die Wiesen und Äcker jenseits der Wasserscheide liegen, also in Hängen, die der Talsperre zugewandt sind. "Seit Bestehen der Talsperre halten wir Vieh auf den Weiden, und die Wasserqualität war immer erstklassig. Warum dann die Änderung?", fragt Bäuerin Koltes. Sie und ihr Nachbar Alwin Naumes vom Naumeshof in Morscheid stört insbesondere, dass durch die restriktiven Verordnungen wertvolles Weideland wegfällt. Die Stalltür öffnen und die Milchkühe hofnah grasen lassen, das geht künftig nicht mehr. Eine finanzielle Entschädigung oder Ersatzflächen sind den betroffenen Landwirten zwar in Aussicht gestellt worden, doch ist das für sie ein schwacher Trost: "Die Flächen auf meiner anderen Flur liegen verteilt, soll ich wie ein Wanderschäfer mit meinen Kühen umherziehen?", meint Christian Geib aus Osburg. Ein Drittel seines 16-Hektar-Betriebs liegt im Schutzgebiet. Ersatzflächen seien rar und teuer. Geib: "Der Druck aufs Ackerland ist enorm hoch." Auch die Landwirtschaftskammer hat interveniert: "Da geht ja nichts mehr, was mit sinnvollen Erträgen zu tun hat", sagt Walter Schmalen. Es ist die Angst vor Keimen und Krankheitserregern, die die SGD zu den strikten Verboten verleitet. Besonders gefürchtet sind die Ausscheidungen von kranken Tieren; Fäkalstoffe könnten im schlimmsten Fall ins Grundwasser oder in die Bäche gelangen, die die Riveristalsperre speisen. Grundlage sind Wasserschutzgesetze "im Interesse der öffentlichen Wasserversorgung", wie es im Entwurf der neuen Rechtsverordnung heißt. Diese löst eine Verordnung aus dem Jahr 1978 ab, die nach einer Laufzeit von 30 Jahren 2008 außer Kraft getreten war. Bis heute hat sie mangels Neufestsetzung jedoch noch Bestand. Die künftige Verordnung soll unbefristet sein. Bei einem Anhörungstermin hatten Behörden und Bürger kürzlich in Osburg zwei Tage Gelegenheit, ihre Bedenken der Wasserbehörde, den Stadtwerken und dem Wasserwerk Ruwer vorzubringen. Neben Landwirten sind auch Pferde- und Schafhalter von dem Weideverbot betroffen. Ihrem Hobby werden sie womöglich am bisherigen Standort nicht mehr nachgehen können. Bewohner eines Teilbezirks von Osburg dürfen zudem in ihren Hausgärten keine Pflanzenschutzmittel mehr einsetzen. Ferner müssen sie am Haus gelagertes Holz abdecken, damit der Regen keine schädlichen Stoffe aus der Rinde waschen kann. Auch der Osburger Fußballplatz, eine Rasenanlage, liegt im Schutzgebiet. Ortsbürgermeister Hubert Rommelfanger hat bereits bei der SGD protestiert: "Wie sollen wir ohne Pflanzenschutzmittel das Unkraut von dem Platz fernhalten?" Einschränkungen gibt es auch im Forst. Die Gemeinde Osburg hat im Schutzgebiet 600 Hektar Wald. Bernhard Buss, Leiter des Forstamts Hochwald, sieht keine größeren Probleme auf den Forstbetrieb zukommen, bittet aber die Aufsichtsbehörde, zwei Vorschriften zu ändern, die laut Buss aus Logistikgründen nicht einzuhalten sind: Die Harvester-Maschinen könnten nicht - wie gefordert - über Nacht aus dem Wald raus - und morgens wieder reinbewegt werden. Den Weg entlang der Talsperre für Holztransporte zu sperren, mache ebenfalls keinen Sinn, so Buss. Andere Transportwege lasse die Topographie schlichtweg nicht zu. Am Mittwochabend hat es auf Initiative von Bürgermeister Bernhard Busch (Verbandsgemeinde Ruwer) ein Treffen mit Ortsgemeinden, Forst, Bauern- und Winzerverband sowie der Landwirtschaftskammer gegeben. Dort wurde vereinbart, der SGD bis Ende Oktober einen "Argumentationskatalog" vorzulegen. Darin enthalten sein sollen Zahlen zur Entwicklung des Viehbestandes und der ackerbaulichen Nutzung im Schutzgebiet sowie Punkte, die "nicht verhandelbar sind und wo wir Kompromissbereitschaft zeigen." Düngen und Pflügen müssten erlaubt sein, so Busch, über die Art und Weise, wie das umweltschonend geregelt werde, könne man reden. Meinung

 Landwirtin Gudrun Koltes dürfte die Wiese nicht mehr zur Kuhhaltung nutzen, wenn die neue Verordnung greift. TV-Foto: Albert Follmann

Landwirtin Gudrun Koltes dürfte die Wiese nicht mehr zur Kuhhaltung nutzen, wenn die neue Verordnung greift. TV-Foto: Albert Follmann

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Die reine LehreFast 60 Jahre gibt es die Riveristalsperre nun schon, und es gab noch kein nennenswertes Problem. Im Gegenteil. Ihre Wasserqualität wird in den höchsten Tönen gelobt, sie gehöre zu den besten in Deutschland, heißt es. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass sich Landwirte ärgern, weil nun noch weiter an der Verbotsschraube gedreht wird. Keine Frage: Wasserschutz ist ein hohes Gut, aber hier hat es den Anschein, dass die SGD es übertreibt. Reiner als rein soll es sein, alle Eventualitäten, die zu einer Verunreinigung führen könnten, sollen ausgeschlossen werden. Dabei hat der restrikte Verbotskatalog auch seine Schattenseiten. Wer hält Unkraut und giftige Pflanzen fern, wenn die Landwirte nicht mehr ihre Äcker und Weiden bewirtschaften dürfen? Wie sollen sie umstrukturieren, wenn Flächen rar und teuer sind? Womöglich sind die Bauern später auch noch die Buhmänner, wenn ihre Weiden verbuscht sind und in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die Landwirte seien obendrein für ihre Untätigkeit noch finanziell entschädigt worden. Man darf gespannt sein, ob die SGD in den weiteren Verhandlungen von ihrer reinen Lehre abweicht und Zugeständnisse macht. Kompromisse scheinen möglich. a.follmann@volksfreund.de

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