Windkraft: VG Schweich reduziert Flächen - Standorte bei Klüsserath und Longuich sollen wegfallen

Schweich · An der Mosel werden möglicherweise statt 40 Windrädern nur etwa 20 gebaut. Ein Fachbüro hat empfohlen, besonders umweltrelevante Flächen innerhalb des Landschaftsschutzgebiets (LSG) Mosel freizuhalten. Potenzielle Standorte bei Klüsserath und Longuich entfallen, die neun umstrittenen Anlagen oberhalb von Riol und Mehring würden bleiben.

Windkraft: VG Schweich reduziert Flächen - Standorte bei Klüsserath und Longuich sollen wegfallen
Foto: Deutsch.W

Das haben selbst altgediente Ratsmitglieder noch nicht erlebt: Geschlagene acht Stunden tagte am Dienstag der Verbandsgemeinderat Schweich. Einziges Thema: der Flächennutzungsplan (FNP) Windkraft. Abgearbeitet wurden die Anregungen und Bedenken, die bei der ersten Offenlegung im Herbst 2014 eingegangen waren: 42 Stellungnahmen von Behörden sowie 602 Eingaben von Bürgern. Der VG-Rat hätte womöglich noch am nächsten Morgen zusammengesessen, hätte das Büro Jestaedt & Partner nicht die Eingaben thematisch gebündelt und farblich geordnet. So waren diese in dem 500 Seiten starken Ordner für die Räte besser zuortbar und man ersparte sich Mehrfachabstimmungen. Sowohl in den Behördeneingaben, die zuerst behandelt wurden, als auch in denen der Privatpersonen tauchten immer wieder die gleichen Bedenken auf: Zerstörung des Landschaftsbildes, Missachtung der Moselschutzverordnung und der Lahikula (landesweit bedeutsame Kulturlandschaft), zu geringer Abstand zur Wohnbebauung, Wertverlust der Immobilien, Nachteile für den Tourismus, fehlende Rentabilität der Windanlagen, gesundheitliche Risiken, Artenschutz.

Die Stellungnahmen aus der Offenlegung dienten dem Planer Andreas Jestaedt und dem Juristen Paul Henseler als Grundlage für eine "kritische Überprüfung". In einem rund einstündigen Vortrag erläuterte Jestaedt dem Rat und den mehr als 100 Zuhörern im Bürgerzentrum, welche Schlussfolgerungen er aus der Bewertung des Landschaftsbildes und der Kulturgüter zieht. Fazit ist, dass mit dem Hansenberg bei Klüsserath und der Zone westlich von Longuich zwei Gebiete mit "vergleichsweise höchsten Auswirkungen" als Potenzialfläche für Windräder komplett wegfallen sollen (siehe Extra).

Longuichs Ortsbürgermeisterin Kathrin Schlöder zeigte sich weniger über das Resultat der Bewertung überrascht ("Wir hätten sowieso keine Windräder gebaut") als darüber, dass die Standorte Mehring und Riol weniger einsehbar sein sollen als Longuich. "Da gibt es keinen Unterschied, außerdem wird die Einsehbarkeit aus Richtung Lörsch oder Longen überhaupt nicht berücksichtigt." Anders Klüsseraths Ortsbürgermeister Günter Herres: Er hätte gerne Windräder, geht aber nun vermutlich leer aus: "Ich kann die Sichtbarkeitsanalyse nicht nachvollziehen. Bei uns sind die wenigsten Bürger und Touristen betroffen." Ratsmitglied Helmut Schneiders aus Fell kritisierte, dass die zusätzlich gefundenen Wochenstuben der Vögel, beispielsweise des Rotmilans, nicht ausreichend bewertet wurden. Die Erkenntnis der Planer, die Umzingelung von Fell durch Windräder werde durch den Wegfall von Longuich vermieden, sei "quatsch".

Schneiders: "Die Waldracher Windräder haben wir ja schon, jetzt sollen noch die Rioler dazukommen." Die kontroverse Haltung zur Windkraft auf den Höhenrücken der Mosel zieht sich durch alle Fraktionen. Gegner gibt es in der CDU ebenso wie bei der SPD und den Freien Wählern (FWG), aber die Befürworter sind in der Mehrzahl. Mit 25 Jastimmen und sechs Neinstimmen beschloss der Rat die erneute Offenlegung der nun reduzierten Flächen samt aller Gutachten und Pläne für den Zeitraum vom 13. Juli bis 12. August.

Wie Bürgermeisterin Christiane Horsch versicherte, bekommen alle Einsender Antwort auf ihre Einwände. Alle Bedenken aus der ersten Offenlegung würden für die zweite übernommen.

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Fauler KompromissAls zu nachtschlafender Zeit die Bedenken der Bürger beraten wurden, war von anfänglich über 100 Zuhörern noch eine Handvoll anwesend. Windkraft ist eine komplexe Materie, aber muss man deshalb acht Stunden altbekannte Pro- und Kontra-Argumente durchkauen? Das ist unzumutbar - für die Bürger, aber auch für Rat und Verwaltung. Über allem schwebt die Angst, bei der Änderung des Flächennutzungsplans nur ja keine Verfahrensfehler zu begehen. Die Akteure in der VG Schweich sind zwar sehr gründlich, doch eine klare Linie ist nicht erkennbar. Dass Windräder auf den Moselhöhen bei Klüsserath und Longuich schlimmere Auswirkungen haben sollen als die bei Riol und Mehring, ist nicht nachvollziehbar. Konsequenter und ehrlicher wäre es, komplett auf Anlagen im Landschaftsschutzgebiet Mosel zu verzichten. Die jetzige Lösung ist ein fauler Kompromiss. a.follmann@volksfreund.deExtra

Weniger Fläche für Windkraft in der VG Schweich: Zwei von fünf Konzentrationszonen fallen weg (in der Grafik rot), von 40 potenziellen Standorten bleiben 21 (in der Grafik gelb). 1.Klüsserath: Kein Windrad mehr (ursprünglich drei möglich). 2.Trittenheim: Es bleibt bei sieben Windrädern. 3. Detzem/Leiwen: Rückgang von 13 auf fünf. 4. Riol/Mehring: Es bleibt bei neun Anlagen, vier auf Rioler und fünf auf Mehringer Gemarkung. Die Bauanträge sind gestellt. 5. Longuich: Vorher acht Windräder, neu: null alf

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