"Wir waren überfordert"

60 Jahre Polizei Rheinland-Pfalz - 42 Jahre davon hat Walter Ludwig hautnah miterlebt, etwa bei spektakulären Großeinsätzen wie der Geiselnahme 1972 und dem Honecker-Besuch 1987 in Trier.

Trier. Am 27. November 1972 stand er Auge in Auge bewaffneten Geiselgangstern in der Paulinstraße gegenüber, am 10. September 1987 war er für die Sicherheit von SED-Generalsekretär Erich Honecker bei dessen Besuch in Trier verantwortlich: Zwei Tage im Leben des Polizisten Walter Ludwig, die sich in sein Gedächtnis eingebrannt haben. 42 Jahre diente er dem Land als Gesetzeshüter, war Streifenpolizist, Leiter der Wache am Trierer Hauptmarkt und des Führungsstabes beim Polizeipräsidium Trier, Direktionsleiter in Wittlich und Chef mehrerer Kreisdienststellen. Seit drei Jahren ist der 64-Jährige im Ruhestand. Fotos, Zeitungsartikel und Randnotizen füllen mehrere Aktenordner - Dokumentation eines Polizistenlebens. Abgeheftet ist auch die Sonderseite des Trierischen Volksfreunds vom 28. November 1972. Zwei Gangster versetzen ganz Trier in Angst und Schrecken, überfallen das Waffengeschäft Wagner in der Paulinstraße, nehmen Frau und Kind des Inhabers als Geisel. Der Kaufmann und zwei Polizisten werden durch Schüsse verletzt, ebenso ein Täter auf der Flucht. Die beiden Täter werden festgenommen, die erpressten 40 000 Mark sichergestellt. "Trotz allem lief es glimpflich ab", sagt Walter Ludwig, der damals als Leiter des Unfallkommandos für die Absperrung des Tatorts zuständig war und sich freiwillig gemeldet hatte, um den Tätern Essen zu bringen. "Das war neu für Trier, wir waren anfangs hoffnungslos überfordert", beurteilt Ludwig den Einsatz. Anstatt gleich auf eigene Faust zu handeln und zu versuchen, die Geiseln zu befreien (wobei es zu Schusswechseln zwischen Gangstern und Polizisten kam) hätte man erst in Ruhe die Lage sondieren sollen. "Erst als im Schildergeschäft Stehle die Einsatzleitung aufgebaut worden war, kam Ruhe rein", erinnert sich der Beamte. Der Trierer Überfall diente später - rekonstruiert und aufgearbeitet - als Lernstoff in polizeilichen Führungsakademien. Eine Herausforderung ganz anderer Art war für Walter Ludwig der Honecker-Besuch 1987 in Trier. Mehr noch als mit der logistischen Planung ("Wir haben jeden Kanaldeckel umgedreht") habe er sich mit den Stasi-Leuten herumplagen müssen. "Die wollten, dass Honecker in einem Bus durch Trier fährt und vorne sitzt - ein Alptraum, wenn man für die Sicherheit eines solch gefährdeten Mannes verantwortlich ist." Hier habe er durchsetzen können, dass die Fahrt schließlich in einer gepanzerten Limousine stattfinden konnte, sagt Ludwig. Nicht ganz so problematisch, obgleich ebenfalls aufwendig für die Sicherheitskräfte, sei der Sonderwunsch Honeckers gewesen, im Steinsaal des Landesmuseums zu speisen. Zwei Dinge sind Ludwig, der sich während des Besuchs fortwährend in der Nähe Honeckers aufhielt, besonders aufgefallen. So habe der Staatsratsvorsitzende sehr dem Moselwein zugesprochen (was vor dem Abflug zu einigen sprachtechnischen Problemen bei der Beantwortung von Reporterfragen führte), und: "Die Diener vor Honecker konnten beim Empfang im Kurfürstlichen Palais nicht tief genug sein." Alle hätten an den Gast aus der DDR herangewollt, selbst seine schärfsten Kritiker. Einzig Regierungspräsident Schwetje habe Haltung bewahrt und sei dem Termin ferngeblieben.Im Foyer des Kurfürstlichen Palais wird eine Wanderausstellung über die Entwicklung der rheinland-pfälzischen Polizei von der Landesgründung bis heute gezeigt.

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