"Wissen, was in der Welt wissbar ist": Vor 500 Jahren starb der Trittenheimer Humanist und Benediktinerabt

Trittenheim/Würzburg · Er wurde schon mit 21 Jahren Abt, baute eine der begehrtesten Bibliotheken Mitteleuropas auf und förderte das Andenken Hildegard von Bingens. Dennoch steht der Benediktiner und Humanist Johannes Trithemius, der vor 500 Jahren starb, im Schatten des Cusanus.

Trittenheim/Würzburg. An Johannes Trithemius scheiden sich die Geister, und das schon seit 500 Jahren. "Ein Zauberer und Schwarzkunstiger", so bezeichnete ihn Martin Luther. In einer Herberge, in der es weder Speis noch Trank gab, da habe er nur an ein Fenster klopfen müssen, und schon sei auf wundersame Weise ein Tablett mit gekochten Hechten erschienen - diese Legende soll einst Reformator Melanchthon erzählt haben. Gerüchte waren im Umlauf, Trithemius habe höllische Dämonen beschworen, gar Tote zum Leben erweckt.

Doch der gleiche Mann war auch Gründer einer der bedeutendsten Bibliotheken Mitteleuropas am Vorabend der Reformation. Ein Gelehrter, den sein Biograf Klaus Arnold "einen der hervorragendsten Vertreter der Epoche des Humanismus nördlich der Alpen" nennt.
Wer war dieser Johannes Trithemius, der vor 500 Jahren, am 13. Dezember 1516, in Würzburg gestorben ist? Als Johannes Heidenberg wird er am 1. Februar 1462 in Trittenheim geboren. Anders als der 1401 geborene Cusanus, Spross einer wohlhabenden Bürgerfamilie, kann Johannes nicht auf die Unterstützung seines Elternhauses bauen. Seine Eltern waren kleine Winzersleute; der Vater starb früh. Der Sohn beginnt als Jugendlicher ein Studium an der noch jungen Trierer Universität, das er später in Holland und Heidelberg fortsetzt.Rasante Karriere



Ende Januar 1482, Trithemius ist noch keine 20 Jahre alt, ist der Student auf dem Weg in die Heimat, als ihn bei Bad Kreuznach ein Sturm zur Unterbrechung zwingt. Er sucht Schutz im Benediktinerkloster Sponheim - und tritt nur eine Woche später in den Orden ein. Es ist der Auftakt einer rasanten Karriere. Obwohl er das jüngste Konventsmitglied ist, wird er bereits im Juli 1483 zum Abt gewählt.

Unter der Leitung des 21-Jährigen brechen neue Zeiten in dem hoch verschuldeten Haus an. Trithemius ordnet die wirtschaftlichen Verhältnisse neu, treibt Reformen voran, sorgt für einen materiellen und geistigen Aufschwung. Mit großem Eifer trägt er in der Bibliothek, die bei seinem Antritt gerade einmal 50 Werke umfasst, einen Schatz von rund zweitausend Handschriften zusammen. Sponheim wird zum Zentrum der Wissenschaften; zahlreiche Gelehrte kehren dort zu Studienzwecken ein. Die kommenden beiden Jahrzehnte sind eine Blütezeit sowohl für das Kloster als auch für seinen Abt. Trithemius steht in regem geistigem Austausch mit führenden Humanisten seiner Zeit; er setzt sich in der Bursfelder Kongregation der Benediktiner, zu der Sponheim zählt, für Klosterreformen ein. Er verfasst Bücher, darunter biografische und bibliografische, aber auch historische Schriften. Trithemius widmete sich auch dem Wirken der Hildegard von Bingen. "Er hat sich intensiv darum bemüht, Hildegard als reguläre Heilige darzustellen", erklärt der Leiter der Trierer Stadtbibliothek, Michael Embach. "Er hat die Reformimpulse in ihrem Werk erkannt und war einer der Autoren, die das Gedenken an Hildegard über das Mittelalter hinaus am Leben hielten."

1506 gerät der Abt in Konflikte mit seinen Mitbrüdern, die, so Klaus Arnold, "lieber weltlichen als geistlichen Interessen huldigten". Resigniert legt Trithemius schließlich sein Amt als Abt nieder und siedelt nach Würzburg über. Aus der Ferne muss er miterleben, wie sein Lebenswerk, die Bibliothek, nach und nach aufgelöst wird. Zwar wird er Abt des Würzburger Schottenklosters Sankt Jakob, doch ist dieses vergleichsweise ärmlich und bedeutungslos. Nur zehn Jahre später, am 13. Dezember 1516, stirbt Trithemius und wird im Schottenkloster begraben.Geschichtsklitterung



Anders als Cusanus leidet der Ruf des Trithemius. Das liegt zum einen an offenkundigen Fälschungen in seinen historischen Werken. "Er wollte etwa beweisen, dass das damals herrschende Haus der Habsburger von den Franken abstammt. Das war eine Geschichtsklitterung, die schon von Zeitgenossen enttarnt wurde und seinem Ruf nachhaltig geschadet hat", erklärt Embach.
Zum anderen wird Trithemius mit geheimen Wissenschaften in Verbindung gebracht. Tatsächlich beschäftigt er sich etwa in seiner 1508 erschienenen "Polygraphia", dem ersten gedruckten Buch über geheime Schriften, mit Codierungen und Verschlüsselungstechniken. Doch das habe nichts mit Alchemie zu tun gehabt, so Embach: "Es war damals weit verbreitet, Geheimschriften und eigene Alphabete zu schaffen."
"Stets habe ich alles, was in der Welt wissbar ist, zu wissen begehrt", schrieb Trithemius über sich selbst. Für den Theologen Embach war er "ein bedeutender Reformtheologe im benediktinischen Milieu, der viel Wert auf Bildung gelegt hat". Er war jedoch traditionsbewusst und aufgrund seiner Nähe zum Hof politisch konservativ. "Er wäre nie so weit wie Luther gegangen, mit der Kirche zu brechen", hebt Embach hervor. KNAExtra

Führung: Anlässlich des 500. Todestags von Johannes Trithemius gibt es am Freitag, 9. Dezember, eine Führung auf den Spuren des Humanisten in seinem Geburtsort Trittenheim. Anschließend spricht René Richtscheid, Geschäftsführer des Emil-Frank-Instituts in Wittlich, im Bürgerhaus über Leben und Werk. Treffpunkt ist um 14.30 Uhr am Trithemius-Denkmal an der Auffahrt zur Trittenheimer Brücke. alf

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