Zeitbombe hinter der Spüle?

Unnötigerweise und ohne ausreichende Vorwarnzeit sei in Ensch der Wasserdruck erhöht worden, klagt ein Bürger. Während er Leitungsschäden befürchtet, behaupten die VG-Werke: "Da passiert nichts."

Ensch. Ticken seit dem 17. Juli Zeitbomben in den Gemäuern älterer Enscher Häuser? An diesem Tag ist in dem Moselort der Wasserdruck um rund ein Drittel erhöht worden. Lag der Ruhedruck in den Leitungen vorher bei drei bis vier bar, so sind es jetzt je nach Ortslage bis zu sieben bar. "Das halten ältere verzinkte Rohre, die bereits durch Rost angegriffen sind, nicht aus", sagt Heinz Thul. Die Leitungen seien jahrzehnte- lang durch agressives Wasser angegriffen worden, mit dem Ensch vor der Umstellung auf Kylltal-Wasser versorgt worden sei. Thul befürchtet, dass es durch die Druckerhöhung zu Leitungsbrüchen und damit zu beträchtlichen Wasserschäden in Häusern oder an Hausanschlüssen kommen kann.Druckerhöhungsanlage im Hochbehälter eingebaut

Der 70-Jährige sieht nicht nur keine Notwendigkeit für die Druckerhöhung ("Ensch hat über 100 Jahre keine benötigt"), er kritisiert auch die rigide Vorgehensweise der Verbandsgemeindewerke: "Die Enscher wurden total überrollt, die Mitteilung im Amtsblatt war viel zu kurzfristig."

In der Ausgabe vom 13. Juli hatten die Werke über "Maßnahmen zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung" informiert. Im Enscher Hochbehälter sei eine zentrale Druckerhöhungsanlage installiert worden, heißt es da, um auch im Brandfall die notwendigen Wassermengen zur Verfügung stellen zu können. Und weiter: "Wir bitten alle Anwohner und Kunden, die eigene Trinkwasserinstallation hinsichtlich der erforderlichen Sicherheitseinrichtungen (Druckminderer, Sicherheitsventile) zu überprüfen und gegebenenfalls diese den neuen Verhältnissen anzupassen bzw. nachzurüsten."

Schwierigkeiten im Brandfall

Ein Druck bis zu zehn bar sei möglich, und so seien auch die Leitungen ausgelegt, sagt der Leiter der VG-Werke Schweich, Manfred Gressnich. In Städten müsse der Druck sogar höher sein, damit auch die oberen Stockwerke von höheren Häusern noch ausreichend versorgt werden könnten. In Ensch habe es im Bereich der Bornwiese und im Kautenbach Probleme mit schwachem Wasserdruck gegeben, auch die Feuerwehr habe in diesen Ortslagen nicht genug Wasser bekommen. Das bestätigt Ortsbürgermeister Lothar Schätter: "Im Brandfall hätte es in einigen Bereichen Schwierigkeiten geben können." Zum Glück sei ein Hausbrand vor einigen Jahren woanders passiert. Auf die Warnungen von Heinz Thul angesprochen, meint Schätter: "Ich bin kein Fachmann, ich muss mich auf die Aussagen der Experten verlassen, und die sagen, es kann nichts passieren."

Zulauf zum Boiler geplatzt

Was auslaufendes Wasser im Haus anrichten kann, hat unterdessen Schätters Nachbar Herbert Mohr aus der Martinstraße erfahren. Dieser Tage stand die halbe Wohnung unter Wasser, nachdem nachts ein Zulauf zu einem Boiler in der Küche geplatzt war. Ob dies mit der Druckerhöhung zusammenhängt, ist unklar. Mohr: "Es hat ja keine Wasserleitung betroffen, sondern einen Schlauch. Es wäre vermutlich auch ohne die Druckerhöhung passiert." Weil in seinem Haus teilweise noch alte Wasserleitungen liegen, will er nun einen Druckminderer einbauen lassen. Dass der Druck im Enscher Wassernetz erhöht wurde, findet er gut. "Wenn ich im Hanggarten wässern wollte, war oben schon kaum mehr Wasser da." Auch Heinz Thul, als Maschinenmeister auf Großbaustellen mit Versorgungsleitungen vertraut, hat sich für 135 Euro einen Druckminderer mit Filter angeschafft und selbst eingebaut. Er will die Kosten von der VG ersetzt haben. Sein Standpunkt: Wenn die Werke für zwölf Anlieger im Oberdorf und "angeblich im Interesse der Feuerwehr" so handeln, dann müssen sie auf der anderen Seite auch für "geschädigte Bürger" aufkommen. Werksleiter Gressnich spielt da nicht mit: "Das ist im Allgemeininteresse geschehen, wir können doch keinen Präzedenzfall schaffen." Er verweist darauf, dass sich einige Anrufer bereits positiv über die Druckerhöhung in Ensch geäußert hätten. Außerdem habe man angeboten, bei Fragen zur Verfügung zu stehen. Die ersten Antworten werden die Werke bereits im Schadensfall Mohr geben müssen. Der Wassermeister kommt zum Ortstermin in die Martinstraße

Meinung

Gut gemeint, schlecht gemacht

Wägt man Vor- und Nachteile der Enscher Druckerhöhung im Wassernetz ab, so wiegt ein Argument mehr als alle anderen: Im Brandfall muss eine ausreichende Wassermenge schnell und mit entsprechendem Druck zur Verfügung stehen. Das kann Leben retten und ist dementsprechend höher anzusiedeln als die theoretische Möglichkeit, dass der Druck irdenwo und irgendwann mal ein Rohr bersten lässt. Heinz Thul hat allerdings in einem Punkt Recht: Die Informationspolitik der Werke war in diesem Fall katastrophal. Vier Tage vor der Umstellung öffentlich zu informieren und dann noch auf die Möglichkeit von Umrüstungen hinzuweisen, ist viel zu kurzfristig. Davon abgesehen dürften mehr als 90 Prozent der Betroffenen Laien sein. Nur wenige wissen, was sich hinter einem Druckminderer verbirgt, oder ob sie ein zusätzliches Sicherheitsventil brauchen. Hier wäre mehr Bürgernähe und ein besserer Kundenservice angebracht gewesen. a.follmann@volksfreund.de

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