Abflug aus Wallonien

Der irische Billigflieger Ryanair gibt eine seiner europäischen Drehscheiben auf: Ab November fliegt die Gesellschaft nicht mehr ab dem belgischen Charleroi. Grund: Ein Streik des Flughafenpersonals - im Juni.

Charleroi. Ryanair-Boss Michael O'Leary hatte bereits früher damit gedroht, dem Regionalflughafen Charleroi, 50 Kilometer vor Brüssel, den Rücken zu kehren. Seit langem stritt er mit der wallonischen Regionalregierung über die Höhe der Landegebühren. Neun Euro pro Fluggast waren ihm zu viel. Wallonien gab Ryanair daraufhin vier Euro als so genannten Werbekostenzuschuss zurück. Außerdem beteiligte sich die wallonische Regierung an der Pilotenausbildung und der Unterbringung der Mitarbeiter des Billigfliegers. Bereits vor drei Jahren erste Drohungen

Das wiederum war der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Sie forderte vor drei Jahren den Billigflieger auf, vier Millionen Euro an die belgische Region zurückzuzahlen Der wortgewaltige Chef der irischen Billig-Fluggesellschaft drohte bereits damals damit, seine Boeings, die von Charleroi aus - dem neben Brüssel einzigen Flughafen in Belgien - mehr als 20 Flugziele anfliegen, abzuziehen. Daraufhin einigte man sich, dass es künftig keine Sonderregelung für Ryanair mehr in Charleroi geben sollte, dass alle Fluggesellschaften, die auf dem Regionalflughafen landen, fünf Euro pro Passagier bezahlen müssen. Allerdings ist Ryanair - ähnlich wie auf dem Hunsrück-Flughafen Hahn - die einzig wirklich bedeutende Gesellschaft, die von dem wallonischen Flughafen fliegt. Bereits damals sagte O'Leary, dass er auf dieser Basis weitere zwei Jahre in Charleroi starten und landen könnte. Immerhin hat es Ryanair ein Jahr länger als von ihrem Chef angekündigt in Belgien gehalten. Zum neuen Winterflugplan ab 12. November soll es keine Flüge des Billigfliegers von Charleroi aus mehr geben. Die (fadenscheinige) Begründung von O'Leary: Weil es Mitte Juni einen dreitägigen Streik von Flughafenbeschäftigten in Chaleroi gegeben habe, hätten 22 500 Passagiere nicht ihren Flug antreten können. Das habe Ryanair eine Million Euro Entschädigung gekostet, die man nun vom Flughafen zurückhaben wolle. Daher werde es ab 12. November keine Buchungen für Ryanair-Flüge ab Belgien mehr geben, teilte die Fluggesellschaft in einer knappen Pressemitteilung mit. Die französische Tageszeitung Figaro sprach bereits von einem "Krieg" zwischen Ryanair und Charleroi. Gestern gab es ein Krisengespräch zwischen O'Leary und den Flughafenverantwortlichen - offenbar jedoch ohne Ergebnis. Krisengespräch ohne Ergebnis

Gestern Abend verlautete aus Brüssel, die europäische Kommission werde nicht in dieser Sache verhandeln: Das sei ein Streit zwischen Ryanair, dem Flughafen und Wallonien. Der Rückzug von Ryanair könnte das Aus für den Flughafen bedeuten. Immerhin bescherte der Billigflieger Charleroi mit seinen 150 Flügen pro Woche allein in diesem Jahr bereits 1,5 Millionen Passagiere - darunter viele aus Luxemburg und der Region. Im Januar soll ein neues Terminal fertig werden. Gestern kündigte die belgische Jetairfly, eine Tochter des deutschen Reisekonzerns TUI, an, Strecken von Ryanair zu übernehmen. Bereits jetzt fliegt die Gesellschaft von Charleroi aus nach Casablanca. Meinung Zittern auf dem Hahn So schnell kann es gehen: Wenn Ryanair-Boss O'Leary etwas nicht in den Kram passt, packt er seinen Krempel und geht. Dem wortgewaltigen Iren ist es völlig egal, von wo aus seine Billigflieger abheben. Irgendein Regionalflughafen wird sich schon finden, der froh ist, dass Ryanair ihm Passagiere bringt. Der Streik im Juni ist nur ein vorgeschobener Grund für den Rückzug aus Belgien. In Wahrheit will er damit die wallonische Regierung erpressen. Ein gefährliches Spiel. Geht Wallonien darauf ein, wird der Ryanair-Chef weitere Forderungen stellen und vermutlich irgendwann Charleroi fallen lassen. Nur bei Luxair dürfte die Entscheidung der Iren die Korken knallen lassen - eine Konkurrenz weniger. Auf dem Hahn dürfte hingegen eher Ernüchterung angesagt sein. Denn auch dort ist alles auf Ryanair zugeschnitten. Und wenn es O'Leary im Hunsrück nicht mehr gefällt, wird er eben dort auch die Zelte abbrechen, was immer er einst zugesagt hat.

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