Abstrakt und überschätzt

MAINZ. Panikmache oder berechtigte BSE-Angst? Seit bekannt wurde, dass in Deutschland knapp 1000 Rinder ohne Test geschlachtet wurden, sind die Verbraucher verunsichert. Ein Mainzer Professor sagt: Die BSE-Tests sind überflüssig.

In Deutschland herrscht wieder BSE-Panik, seit klar ist, dass nicht getestete Rinder geschlachtet und verarbeitet wurden. Bessere, lückenlosere Tests fordern daher die Verbraucherschützer. "Alles nur Panikmache - weg mit den BSE-Tests", sagt hingegen der Mainzer Infektiologe Professor Sucharit Bhakdi. "Die Tests sind völlig sinnlos", so der BSE-Experte. Die Wahrscheinlichkeit, beim Verzehr von BSE verseuchtem Fleisch an dem für Menschen gefährlichen Creutzfeldt-Jakob (CJD) zu erkranken, sei verschwindend gering. So habe es in Großbritannien in der Hochzeit der BSE-Krise zwischen 1985 bis 1994 mehr Selbstmorde von Bauern gegeben, die unter den staatlichen Maßnahmen litten, als Creutzfeldt-Jakob-Fälle, provoziert der Uni-Professor. 180 000 BSE-Rinder wurden in dieser Zeit in Großbritannien gegessen. Mit bis zu 3000 Creutzfeldt-Jakob-Opfern wird dort in den nächsten 40 Jahren gerechnet. "Infektions-Risiko im Krankenhaus höher"

In Deutschland gab es im vergangenen Jahr bei knapp drei Millionen getesteten Rindern 54 BSE-Fälle. Ein Jahr zuvor waren es noch 106. "Nimmt man die Zahlen aus Großbritannien und rechnet sie auf Deutschland hoch, bedeutet das, dass es in den nächsten 40 Jahren drei Creutzfeldt-Jakob-Fälle geben könnte. Und dafür werden die Massentests durchgeführt und dafür geben wir Jahr für Jahr 10 Millionen Euro aus", kritisiert der Mikrobiologe. Das Risiko, nach einer Operation im Krankenhaus an einer lebensgefährlichen Infektion zu erkranken, sei bedeutend höher als an CJD zu erkranken. Zwischen 10 000 und 20 000 Menschen sterben jährlich an den Krankenhausinfektionen. Wie viele es wirklich sind, weiß man nicht. Denn im Gegensatz zu BSE besteht keine Meldepflicht für diese Todesfälle. "Das Geld für die BSE-Tests sollte man lieber für bessere Hygiene in Krankenhäusern verwenden. Da könnte man mehr Menschenleben retten", wettert der Experte. BSE ist für ihn eine "abstrakte Gefahr", die überschätzt wird. Es reiche vollkommen aus, Tiermehlfütterungen zu verbieten und kranke Tiere aus der Nahrungskette zu entfernen. "Wir brauchen keine teuren Tests", sagt Bhakdi. Soweit geht man bei den Gesundheitskontrolleuren des Robert-Koch-Instituts in Berlin nicht. Zwar ist man auch dort über den schnellen Rückgang der BSE-Fälle überrascht. Trotzdem sollte man zumindest vorerst die Tests beibehalten. Sie seien das "Tüpfelchen aufdem I". Viel wichtiger sei das Entfernen des so genannten Risiko-Materials aus dem Fleisch.

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