Aktenflut überrollt Richter

Eine Polit-Posse spielt sich derzeit in Bonn ab: Das neue Bundesamt für Justiz hat 350 000 Unternehmen hohe Ordnungsgelder angedroht, weil sie ihre Bilanzen von 2006 noch nicht bis Ende 2007 ins elektronische Handels-, Genossenschafts- oder Unternehmensregister gestellt haben. Doch die Behörde ist der erwarteten Widerspruchswelle gar nicht gewachsen.

Bonn. "Wir erwarten einen Tsunami", meint ein Jurist im Bonner Landgericht. Er fürchtet aber keine unberechenbare Naturgewalt am Rhein, sondern eine gigantische Widerspruchswelle gegen Sanktionen, die das neue Bundesamt für Justiz verhängt. 100 000 Fälle dürften wegen ungenauer Angaben zu den genannten 350 000 Mahnungen folgen.Der Bund rühmt sich, dass er die Registergerichte der Länder entlastet. Nordrhein-Westfalen dürfte es nicht trösten. Denn nach dem Gesetz ist das Bonner Landgericht für alle Streitfälle zentral zuständig. "Das ist für den Bund schmerzfrei", heißt es im Düsseldorfer Justizministerium. Denn die Ordnungsgelder zwischen 2500 und 25 000 Euro fließen in die Bundeskasse. Aber auch Düsseldorf dürfte die Kosten unterschätzt haben. Das Bonner Landgericht hat intern zu seinem Schrecken ausgerechnet: Es braucht 65 neue Richter, wenn nur 15 Prozent der Firmen gegen ursprünglich erwartete 500 000 Ordnungsgeldbescheide gerichtlich vorgehen. Das Land hat aber nur elf Tarifbeschäftigte und 14 Richter zur Probe zugesagt, die keine Kammer führen können.Vorsorglich hat das Landgericht schon einmal formal zehn neue Kammern geschaffen. Sie sind mit Richtern besetzt, die auch noch ihr bisheriges Pensum bewältigen müssen. Werden die Kammern dauerhaft gebraucht, müssen zig Stellen für Vorsitzende Richter ausgeschrieben werden, die je nach Alter zwischen 3800 und 4400 Euro brutto erhalten. Nach den Worten eines Anwalts hat das Landgericht als erste Instanz bemerkt, welche Aktenberge und Folgekosten auf NRW bei aller Freude übers neue Bundesamt zurollen.

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