Arbeit für das ganze Jahr

TRIER. Bauarbeiter, Künstler, Kellner oder Saisonkräfte im Weinbau, in der Land- oder Forstwirtschaft haben ein gemeinsames Problem: Wer künftig nicht länger als acht Monate im Jahr beschäftigt ist, bekommt als Arbeitsloser von der Agentur für Arbeit weniger als in der Vergangenheit. Der soziale Abstieg droht.

In der Region Trier sind gut 143 500 Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Knapp 20 000 oder rund 14 Prozent von ihnen arbeiten in einer Branche, in der es üblich ist, Mitarbeiter saisonal zu beschäftigen. Am Bau (11 900), im Gastgewerbe (6100), in der Landwirtschaft und im Weinbau (1350) oder im Forst (450) spielen die Witterungsverhältnisse eine große Rolle - abseits der Spitzenzeiten verzichten Betriebe schnell auf den einen oder anderen Mitarbeiter."Schonzeit" endet am 1. Februar 2006

In der Vergangenheit meldeten sich die Entlassenen beim Arbeitsamt und bekamen in der Regel Arbeitslosengeld. Zwischen 60 und 67 Prozent des Nettolohns - je nach Alter, Familienstand und Kinderzahl - bekam der Bauarbeiter, Kellner oder Erntehelfer dann als Arbeitslosengeld ausgezahlt. Doch diese Regelung ist seit dem 1. Januar 2004 vom Tisch, und nach einer letzten "Schonzeit" (1. Februar 2006) gelten diese Kriterien nicht mehr. Mitarbeiter, die von ihren Firmen nur in "Spitzenmonaten" gebraucht werden, stehen als Arbeitslose vor dem sozialen Abstieg. Wer kürzer als acht Monate fortwährend in einem Arbeitsverhältnis steht, riskiert, nur noch das so genannte Arbeitslosengeld zu erhalten. Demnach stehen beispielsweise einem Alleinstehenden 345 Euro monatlich zu, die allenfalls zwei Jahre durch eine Zulage von höchsten 160 Euro aufgestockt wird. Bei der Industriegewerkschaft Bau-Agrar-Umwelt läuten deswegen schon die Alarmglocken. In die heute beginnende Tarifrunde geht die IG Bau mit einer klaren Aussage: Die rund 800 000 Beschäftigten im Bauhauptgewerbe sollen sich künftig auf eine ganzjährige Beschäftigung bei durchgehender Bezahlung verlassen können. Das hat die IG Bauen-Agrar-Umwelt gefordert und im Gegenzug einen Verzicht auf höhere Löhne in Aussicht gestellt. "Wir wollen erreichen, dass die Beschäftigten im Baugewerbe das ganze Jahr ihre Arbeit und somit ihren Lohn zum Leben haben", erklärt Reiner Gehring, Geschäftsführer des IG-Bau Bezirksverbandes Saar-Trier. Zu diesem Zweck wolle die Gewerkschaft den Betrieben mehr Spielraum bei der Arbeitszeitverteilung geben. Einem Jahresarbeitszeitkonto sollten die geleisteten Überstunden gutgeschrieben werden, die dann bei schlechter Auftragslage oder im Winter "abgefeiert" werden könnten. Angesichts des hohen Konkursrisikos in der Baubranche müssten diese Arbeitszeitkonten nach Auffassung der IG Bau felsenfest gegen Insolvenz abgesichert werden. Dies solle über die Sozialkassen in Wiesbaden erfolgen. Betriebe, die ihre Mitarbeiter im Winter nicht entlassen, sollten künftig einen Ausgleich bekommen. Statt höherer Löhne für die Beschäftigten sollten in diesem Jahr 2,2 Prozent der Bruttolohnsumme in einen Beschäftigungssicherungsfonds fließen. Ein Teil davon - 0,2 Prozent - werde benötigt für eine verbesserte Bekämpfung der illegalen Beschäftigung. Sorgen bereitet der Gewerkschaft auch die Antragsflut, die Betroffene bewältigen en müssen, um Arbeitslosengeld II zu bekommen. "Insgesamt 14 Seiten Fragen sind zu beantworten. Das wird für viele unserer Mitglieder ganz schwierig", sagt Gehring, der sich darauf einstellt hier Schützenhilfe zu leisten. So wird in den Formularen dem Antragsteller erklärt, "Vermögen ist die Gesamtheit der in Geld messbaren Güter einer Person, bewertet zum Zeitpunkt der Antragstellung, soweit das Vermögen nicht später erworben wurde". "Wer soll sich da zurechtfinden?", fragt Gehring. Der Gewerkschafter rät: "Erwerbslose, die mit einer Kapitallebensversicherung fürs Alter vorgesorgt haben, sollten ihre Versicherungsverträge ändern, sonst besteht die Gefahr, dass sie kein Arbeitslosengeld II bekommen." Freibeträge könnten nämlich nicht geltend gemacht werden, wenn der Arbeitslose oder sein Partner vor dem Rentenalter an das Geld für die Rücklage herankommen könnten. Und Lebensversicherungen könnten bei Bedarf jederzeit aufgelöst und in Bares verwandelt werden. "Wer hier rechtzeitig gegensteuert, kann manche böse Überraschung vermeiden", meint Gewerkschafts-Geschäftsführer Gehring.

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