Ausbildungs-Labyrinth

TRIER. Sophia glaubt, genau zu wissen, was sie will. Sie möchte eine Ausbildung als Bürokauffrau machen, scheitert aber bei der Bewerbung. Dabei weiß sie nicht mal genau, welche Aufgaben zum Beruf gehören.

Sophia ist frustriert. Mehr als 100 Bewerbungen hat die 16-jährige Hauptschülerin aus Trier geschrieben. Aber keine Zusage erhalten. Sie wird die Schule mit dem Sekundarabschluss I verlassen und möchte Bürokauffrau werden. Ratlos lässt sie sich einen Termin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Trier geben. Zusammen mit Alexandra Lossjew wirft sie einen Blick in die Bewerbungsunterlagen. "Viel Herzblut hast du nicht in deine ,persönliche Visitenkarte’ reingesteckt", sagt diese. "Man erfährt nichts über dich, auch nicht, warum du dich für die Ausbildung bewirbst." Sophia sieht das anders: "Da steht doch, dass ich mich beim Biz (Berufsinformationszentrum) der Agentur für Arbeit erkundigt habe und zur Erkenntnis gekommen bin, dass der Beruf für mich geeignet ist." Ihre Vorstellungen vom Beruf sind sehr vage: "Am Computer arbeiten, telefonieren und so." Eine Branche hat Sophia sich nicht ausgeguckt: "Ach, das ist mir egal. Ich will nur im Büro arbeiten." Doch so einfach ist die Berufswahl nicht, sagt Lossjew: "Die Aufgaben von Industriekauffrau oder Bürokauffrau sehen anders aus als die einer Kauffrau im Einzelhandel, als die der Hotelkauffrau, der Werbekauffrau oder der Sport- und Fitnesskauffrau." Als Sophia hört, dass eine Bürokauffrau Texte verfassen soll, Steuerfragen klären und Statistiken erstellen muss, ist sie erstaunt: "Das hab ich mir anders vorgestellt. Deutsch macht mir in der Schule keinen Spaß. Mathe und Physik mache ich lieber. Da bin ich besser." An der Stelle wird die Beraterin hellhörig und schaut sich Sophias Zeugnis genau an. Sie stellt fest, dass sie im Werkunterricht eine Eins hat und fragt nach Sophias Hobbys. "Ich hab immer mit der elektrischen Eisenbahn gespielt und ich repariere gerne die kaputten Haushaltsgeräte meiner Mutter." Es kommen also Fähigkeiten ans Licht, mit denen Sophia als Bürokauffrau wenig anfangen könnte. Da hakt Alexandra Lossjew nach: "Könntest du dir vorstellen, einen technischen Beruf zu lernen?" Sophia weiß nicht, was sie davon halten soll. "Aber das sind doch keine Mädchenberufe. Meine Eltern sagen auch, dass Bürokauffrau das Richtige wäre." Die Beraterin macht Sophia einen Vorschlag: "Wir verabreden uns zu einem zweiten Beratungsgespräch, und du machst eine ‚Hausaufgabe‘. Du informierst dich über kaufmännische und technische Berufe und schaust dir die Arbeit in Büros und in der Industrie an." Sie soll sich fragen, welche Fähigkeiten sie bei den Berufen mitbringen muss. Sophia rafft sich auf, macht die ‚Aufgabe‘ und erzählt beim nächsten Gespräch in der IHK: "Bei den kaufmännischen Berufen gibt es Dinge, die mir liegen, aber Buchführung ist nichts für mich. In den Industriebetrieben hab’ ich mich sehr wohl gefühlt. Das war spannend." Sophia kann sich vorstellen, einen technischen Beruf zu lernen. Sie hat aber Bedenken, wie ihre Eltern reagieren, die sie lieber im Büro sähen. IHK-Beraterin Lossjew schlägt Sophia vor, bei einem längeren Praktikum zu testen, ob die Ausbildung das Richtige für sie sei, denn das müsse sie selbst entscheiden. "So hättest Du die Möglichkeit, den Beruf besser kennen zu lernen." Außerdem könne das Unternehmen Sophia gleichzeitig unter die Lupe nehmen. Sophia absolviert ihr Praktikum – sie findet eine Ausbildungstelle in der selben Firma und ihren Traumberuf: Mechatronikerin.

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