Bei Anruf Schulden

Berlin . Kurz vor Weihnachten hörte Verbraucherministerin Renate Künast die Handys schon klingeln. "Viele hunderttausend Mobiltelefone werden unter dem Christbaum liegen", ließ die Grüne wissen. Ihre Forderung schon damals: "Stoppt die Schuldenfalle Handy!"

Gestern flatterte den Vorständen der deutschen Mobilfunkanbieter ein Brief auf den Tisch, in dem Künast ihre große Besorgnis über die hohe Verschuldung vieler Jugendlicher mitteilt. Die Anbieter, heißt es in dem Schreiben, könnten aber das Problem deutlich entschärfen - wenn sie ihre Vertragsinhalte auf Kinder und Jugendliche zuschnitten und "Handys für Kids" einführten. Ohne Umschweife erteilten die Mobilfunkanbieter der Ministerin jeodch eine Abfuhr: Die "Prepaid-Angebote" seien ausreichend, ließ man Künast wissen. Dabei handelt es sich um Guthaben, die Jugendliche abtelefonieren, so dass sie keine Schulden machen können. Die Wirtschaft weiß allerdings genau: Noch nie verfügten Kinder und Jugendliche über so viel Geld. Im letzten Jahr standen Jungen und Mädchen zwischen sechs und 19 Jahren mehr als 20 Milliarden Euro zur Verfügung, wie die Werbewirtschaft ermittelt hat. Pro Kopf macht das stolze 1800 Euro - und die Tendenz ist steigend. "Im Gegensatz zur Gesamtverbraucherschaft sind Kinder und Jugendliche die einzige Gruppe, die über ein wachsendes Einkommen verfügt", sagt Carel Mohn vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Beim Nachwuchs würden Eltern nicht sparen, außerdem müssten immer weniger Kinder finanziert werden.Kinder sind spendabel

Und weil das so ist, sind Jungen und Mädchen für die Wirtschaft richtig interessant geworden: Kinder sind spendabel, neue Trends entwickeln sich deshalb schnell zu satten Einnahmequellen - und ganz oben stehen dabei die Handys. Das Telefonieren, vor allem aber der SMS-Boom, treibt viele Kinder und Jugendliche aber in die Verschuldung - da werden Klingeltöne für viel Geld heruntergeladen, teure SMS-Nummern genutzt, oder es wird endlos mit kommerziellen Anbietern hin und her "gesimst", ohne dass der Nachwuchs erkennt, "wo er hineingerät", heißt es im Verbraucherschutzministerium. Das große Erwachen (auch für die Eltern) kommt dann spätestens bei der Handy-Rechnung. Wie dramatisch die Entwicklung mittlerweile ist, belegen Zahlen: Nicht nur, dass laut Bundesfamilienministerium sowieso schon fast jeder siebte Privathaushalt überschuldet ist. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) haben bereits zwölf Prozent der 13- bis 24-Jährigen Schulden, und zwar durchschnittlich 1800 Euro. Wie selbstverständlich fließe heute das Taschengeld in die Deckung von immer neuen Konsumbedürfnissen, begründen die Verbraucherschützer. Zwar können sich Kinder vor der Volljährigkeit juristisch gesehen nicht verschulden, jedoch stehen viele Schüler bereits bei Familie oder Freunden in der Kreide, weil die Euros nicht mehr ausreichen, um alles rund ums Handy oder die Klamotten zu finanzieren. Nach einer Studie der Universität Bonn leihen sich etwa 15 Prozent der Jugendlichen mehrmals im Monat Geld. Bisher steckte jeder Siebte unter den 14- bis 24-Jährigen schon einmal in finanziellen Problemen. Bereits seit längerem überlegt die Politik daher, speziell die Mobilfunkanbieter zu verpflichten, Kindertarife einzuführen, die die Sperrung von bestimmten, sündhaft teuren SMS-Nummern ermöglichen; die nur das Schreiben der beliebten Kurzmitteilungen untereinander zulassen, nicht jedoch das teure Telefonieren, so unlängst auch Ursula Heinen, CDU-Verbraucherbeauftrage. Künast will jedenfalls nicht locker lassen. Trotz des Neins der Handy-Anbieter will sie in Gesprächen weiter Überzeugungsarbeit leisten.

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