"Belegschaft ist das Wichtigste"

MERZIG. Mit 1250 Mitarbeitern ist Kohlpharma der führende Arzneimittel-Importeur in Europa. Das 1979 gegründete Unternehmen aus dem Saarland, in dem auch viele Beschäftigte aus der Region Trier arbeiten, versucht trotz seiner Größe, ein Familienbetrieb zu bleiben. Wir haben den Geschäftsführer Edwin Kohl danach gefragt, wie er das macht.

Was macht Familien-Unternehmen im Gegensatz zu anderen aus?Kohl: Familienunternehmen können schnell und unabhängig entscheiden und größere Risiken eingehen. Dem Aktienkurs abträgliche Analystenmeinungen interessieren nicht, es gibt sie nicht. Diese Schnelligkeit und Wendigkeit haben Familienunternehmen den großen, börsennotierten Unternehmen voraus, vorausgesetzt, man nutzt seinen Vorteil. In gut geführten Familienunternehmen herrscht aber auch ein anderes Betriebsklima. Man ist sich mehr bewusst, dass man im selben Boot sitzt. Mit welchen Problemen kämpfen Familien-Unternehmen, die andere Betriebe nicht haben?Kohl: Da ist der Erbfall zu nennen. Im börsennotierten Unternehmen, dessen Aktien breiter gestreut sind, wird der Erbfall nicht zum Problem. Das Unternehmen ist von der finanziellen Situation der Aktionäre viel unabhängiger. Kapital beschafft man sich über den Kapitalmarkt. Im Familienunternehmen kann der Erbfall zu existentiellen Problemen führen. Je erfolgreicher ein Familienunternehmen, desto teurer der Erbfall. Es muss erhebliches Privatvermögen vorhanden sein, um ohne Inanspruchnahme von Banken Steuern zu zahlen. Das ist nur dann ausreichend vorhanden, wenn in der Vergangenheit die Gewinne in erheblichem Maße ausgeschüttet wurden. Das aber wirkt sich wiederum negativ auf das Eigenkapital aus und führt im Rahmen von Basel II zu höheren Zinsaufwendungen. Die neue Erbschaftssteuerregelung, die die Abschmelzung der Erbschaftssteuer vorsieht, wenn das Familienunternehmen weitere zehn Jahre nach dem Erbfall fortgeführt wird, wird hoffentlich die überfälligen Entlastungen bringen. In welcher Reihenfolge würden Sie folgende Themen in Bezug auf dringenden Handlungsbedarf einordnen: Steuerbelastung; Arbeitskosten, Produktivität und Humankapital; Regulierung; Finanzierung?Kohl: Die Prioritäten orientieren sich an den Standortbedingungen anderer Länder, mit denen auch Familienunternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Der Handlungsbedarf ist vor allem bei der Steuerbelastung, der Regulierung und den Arbeitskosten am größten. Auch ich sehe hier die oberste Priorität. Wie versuchen Sie den Familien-Charakter in Ihrem Unternehmen am Leben zu erhalten?Kohl: Indem wir für unsere Mitarbeiter sorgen. Wir haben es geschafft, 80 Prozent der Belegschaft in das Firmenrentenprogramm zu bekommen. Wir haben intensiv aufgeklärt. Wer teilnimmt, erhält einen Zuschuss. Wir kümmern uns um die Gesundheit durch Programme. Wir bieten einen behaglichen und gesunden Arbeitsplatz durch unsere konsequent ökologische Bauweise seit 1990. Als Chef bin ich jederzeit "greifbar" im Fall, dass sich ein Missstand zeigt. Meine Tür ist immer und für jeden offen. Ein Versprechen ist wie ein schriftlicher Vertrag. Unsere Belegschaft muss sich auf ihr Unternehmen verlassen können. Wie beurteilen Sie die Zukunft von Familien-Unternehmen? Haben Sie im Zeitalter des Shareholder-Value noch eine Chance?Kohl: Äußerst positiv, wenn es gut geführt ist. Die Shareholder-Value-Denke führt ja häufig genug zu schweren Konflikten im Unternehmen. Diese Denke treibt einen Keil zwischen Unternehmen und Belegschaft. Und die Belegschaft ist nun mal das Wichtigste. Innovation und Identifikation statt Shareholder-Value, so lautet meine Formel. S Die Fragen stellte Sabine Schwadorf.

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