Bester Freunddes Verbrauchers

TRIER. Ulf Böge, Deutschlands oberster Wettbewerbshüter, hat keine Angst vor großen Namen. Ist der freie Markt in Gefahr, legt sich der Präsident des Bundeskartellamts sogar mit Bundesministern und Megakonzernen an. "Wir machen Politik für die Verbraucher", sagt Böge im TV -Interview.

Es vergeht keine Woche, in der Sie und das Kartellamt nicht in den Schlagzeilen sind. Verbotene Preisabsprachen, Fusionen, Wettbewerbsverstöße. Sie müssen doch ein ganzes Heer an Mitarbeitern ins Feld schicken?Böge: Es ist nicht die Masse, die Erfolge bringt, sondern die Qualität. Wir sind beim Bundeskartellamt mit rund 300 Mitarbeitern eher sehr knapp aufgestellt. 300 Mitarbeiter gegen Mega-Konzerne, das klingt nach einem ungleichen Kampf… Böge: Sobald wir einen gerichtsfesten Verdacht haben, können wir Hausdurchsuchungen beantragen und Unternehmen überprüfen. Bei missbräuchlichem Verhalten von marktbeherrschenden Unternehmen fordern wir die Konzerne auf, ihre Praktiken abzustellen, sonst drohen Buß- oder Zwangsgelder. Im Bereich der Fusionskontrollen können wir die Zusammenschlüsse, die die Unternehmen anmelden müssen, ganz untersagen oder nur unter Auflagen genehmigen. Seit dem 1. Mai gibt es ein neues europäisches Wettbewerbsrecht. Hat sich damit auch die Arbeit des Bundeskartellamtes geändert? Böge: Wir werden mehr zu tun haben, weil wir künftig auch grenzüberschreitende Fälle prüfen müssen, die bislang Sache der EU-Kommission gewesen sind. Wir haben im deutschen Kartellrecht heute teilweise noch andere Vorschriften. Der Gesetzgeber arbeitet aber bereits an einer Novelle. Was bedeutet das für die praktische Arbeit? Böge: Das Bundeskartellamt wird in Zukunft unter anderem Marktanalysen machen können, um Auffälligkeiten in bestimmten Branchen festzustellen und diesen dann nachzugehen. Der Normalfall ist und bleibt aber, dass wir Hinweise von Dritten bekommen. Dabei hilft uns die neue Bonusregelung: Firmen, die uns Hinweise geben, zahlen weniger Bußgeld. Hat Ihnen die Bonus-Regelung auch bei der kürzlich aufgedeckten Absprache unter zwölf deutschen Papiergroßhändlern geholfen?Böge: Ja, mit Hilfe dieser Regelung konnten wir auch andere Absprachen als nur das Papier-Kartell aufdecken, die wir nun untersuchen. Im aktuellen Fall haben Sie ein Bußgeld von 58 Millionen Euro verhängt. Wie kommen Sie auf diese Strafe?Böge: Laut Gesetz können wir das Dreifache des durch die Kartellabsprache erzielten Mehr-Erlöses als Geldbuße verhängen. Das ist die obere Grenze. Die wird man allerdings nur ausschöpfen bei Wiederholungstätern, die überhaupt keine Einsicht zeigen, und wenn es die wirtschaftliche Lage zulässt. Nur eines muss jedes Unternehmen verstehen: Kartelle dürfen sich nicht rechnen, und deshalb müssen Firmen immer mit einer Geldbuße rechnen, die über dem Mehr-Erlös liegt. Sie sind Deutschlands oberster Wettbewerbshüter, also des Verbrauchers bester Freund. Warum unternehmen Sie eigentlich nichts gegen die ständig steigenden Benzinpreise? Böge: Diese Frage ist ein Dauerbrenner. Aber wir können keinen Vorwurf erheben, wenn wir ihn nicht nachweisen können. Die Tankstellenpreise reagieren auf Spekulationen, auf Wechselkursveränderungen, auf ein Tanker-Unglück oder eine höhere Nachfrage auf dem Weltmarkt. Es gibt ein staatliches Kartell, die Opec, deren Vereinbarungen ständig auf den Markt einwirken. Der Benzinpreis ist deshalb sehr schlecht auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen. Zudem: Bei Kartellabsprachen gehen die Preise immer nach oben, und bei Benzinpreisen haben wir den Fall, dass die Preise schon einmal stark fallen. Das ist untypisch für ein Kartell. Da Benzin ein homogenes Produkt ist und die Preise völlig transparent sind, können die einzelnen Mineralölkonzerne außerdem sehr schnell auf Preisänderungen ihrer Konkurrenten reagieren, was nicht verboten ist. Vor sechs Jahren wurde der deutsche Strommarkt liberalisiert, die Verbraucher waren die Gewinner. Inzwischen haben die Preise aber wieder kräftig angezogen… Böge: Mit der Liberalisierung haben wir sofort einen starken Wettbewerb in Deutschland bekommen. Einmal war daran die enorme Überkapazität schuld, zum anderen haben die Stromkonzerne Abnehmer erstmals als Kunden angesehen und heftig umworben. Nun hat die Branche die Überkapazitäten abgebaut, die Aggressivität im Kampf um den Kunden ist abgeflacht. Mit der Liberalisierung hat zudem ein Konzentrationsprozess eingesetzt. Wenn ich Konkurrenten aufkaufen kann, bin ich sie auch los. Bedauerlicherweise haben wir heute einen höheren Konzentrationsgrad als vor Jahren. Sind die Strompreise deshalb wieder auf dem Niveau früherer Jahre? Böge: Der entscheidende Punkt für den Wettbewerb war und ist für uns eine diskriminierungsfreie Durchleitung, so dass eigentlich jeder Verbraucher seinen Versorger wechseln kann. Es gab eine Unzahl von Verstößen im Markt, weil die etablierten Unternehmen alles versucht haben, ihre Bereiche zu schützen. Hier hat das Bundeskartellamt einiges erreicht. Unserer Meinung nach sind die Netznutzungsgebühren aber nach wie vor zu hoch. Sie erschweren den Zutritt neuer Wettbewerber. Deshalb ist es bedauerlich, dass wir eine so hohe Konzentration bekommen haben. Im Fusionsfall Eon/Ruhrgas konnte das Kartellamt dies nicht verhindern. In anderen Fällen haben wir eine weitere Konzentration unterbunden. Wir machen damit Politik für den Verbraucher, denn die Analyse ist richtig: Unabhängig von den staatlichen Belastungen sind die Preise wieder da angekommen, wo sie bereits vor der Liberalisierung waren. Sie haben den Fall Eon/Ruhrgas angesprochen. Wolfgang Clement hat sich mit dem so genannten Minister-Entscheid über Ihre Ablehnung der Fusion hinweggesetzt. Fühlen Sie sich manchmal von der Politik gegängelt? Böge: Gegängelt nein, aber es gibt eben eine ganze Reihe von gesetzlichen Bestimmungen, die vielleicht unbewusst den Wettbewerb beeinträchtigen. Denken Sie an den Umweltschutz oder die Abfallentsorgung. Wir brauchen auch dort Wettbewerb. So hat etwa die Ausschreibung des Dualen Systems zu erheblichen Kostenminderungen beigetragen. Es gibt eine ganze Reihe von Gesetzen, bei denen man im Vorfeld prüfen sollte, welche Wettbewerbs-Beeinträchtigungen sie auslösen. Danach könnte die Politik dann in Kenntnis dieser Auswirkungen entscheiden. Es ist die Frage, ob wir uns als Kartellbehörde nur um den Wettbewerb zwischen den Unternehmen kümmern sollen, oder ob wir uns nicht auch mit staatlich veranlassten Wettbewerbsbeeinträchtigungen auseinander setzen müssen. Das ist ein heißes Thema, das auch international heftig diskutiert wird. Sie haben in Trier mit Kollegen aus allen 25 EU-Staaten und von der EU-Kommission über die weitere Zusammenarbeit beraten. Welche Ergebnisse wurden erzielt? Böge: Ziel unserer Tagungen ist, das wir in praktische Fälle hineingehen, die eine strategische Bedeutung für die Entwicklung des Wettbewerbs in Europa haben. Fälle, bei denen wir in mehreren Ländern mit den gleichen Problemen konfrontiert sind, so dass wir von einander lernen können. So haben wir in Trier zum Beispiel einen Bericht der Arbeitsgruppe zum Wettbewerb im Luftverkehr angenommen. Sie sind seit 2000 Chef des Bundeskartellamtes. Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spaß? Böge: Da sind wir wieder am Anfang: Das sind die engagierten Mitarbeiter, die dafür sorgen, dass die Behörde zu den besten Kartellbehörden in der Welt gehört. Mit Ulf Böge sprach unser Redakteur Heribert Waschbüsch.

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