"Bitte mehr Fakten in der Debatte um Ceta und TTIP"

Brüssel · Der Handelsexperte im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), verteidigt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Interview mit unserem Korrespondenten Markus Grabitz.

Brüssel. Das Vorgehen von EU-Kommissionspräsident Juncker im Streit um das Ceta-Handelsabkommen stößt auf Widerspruch. War es instinktlos von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ausgerechnet jetzt den Alleingang der Kommission beim Freihandelsabkommen mit Kanada anzukündigen?Caspary: Nein, instinktlos ist die Art und Weise der Reaktion von manchen auf Juncker. Die Ankündigung des Kommissionspräsidenten, dass es sich nach Meinung der Kommission um ein reines Freihandelsabkommen handelt und daher die Sache in Europa entschieden wird, ist richtig und war zu erwarten. Die Kommission geht bei Ceta genau den Weg, den sie auch bisher bei den Handelsabkommen gewählt hat. Ich verstehe den Aufschrei nicht. Befürchten Sie, dass Ceta nicht wie geplant in Kraft treten kann?Caspary: Die Vertragslage ist eindeutig: Ein Handelsabkommen tritt in Kraft, wenn der Ministerrat als Vertretung der Mitgliedstaaten und das Europaparlament als Vertretung der Völker zugestimmt haben. Sollte nun der Rat, worauf einiges hindeutet, entscheiden, dass es sich nicht um ein reines Handelsabkommen, sondern um ein gemischtes Abkommen handelt, sähe der Weg so aus: Es könnte erst endgültig in Kraft treten, wenn alle Länder ratifiziert haben. Das kann sich aber über Jahre und Jahrzehnte hinziehen. Es ist deshalb gängige Praxis, dass gemischte Abkommen dann vorläufig in Kraft treten, sobald der Ministerrat und das Europaparlament zugestimmt haben. Ich werbe sehr dafür, dass Ceta möglichst schnell in Kraft tritt, weil es uns bei der Gestaltung der Globalisierung helfen würde. Was ist zu tun, damit TTIP und Ceta gerettet werden?Caspary: Die Debatte muss sich von den Mythen verabschieden, Argumente in der Sache müssen wieder eine Chance bekommen. Ceta ist ein sehr gutes Abkommen, es gewährt Marktzugang, sichert Standards, hat keine negativen Auswirkungen auf die kommunale Daseinsvorsorge, und die Regelungen zu den Schiedsgerichten sind so vorbildlich wie bei keinem anderen Abkommen. Ich warne davor, die Debatten weiter auf der Basis von Halbwahrheiten, Behauptungen oder objektiven Lügen zu führen. Das geht schief, wie wir alle gerade beim Referendum in Großbritannien erleben. Das gilt auch für TTIP: Ich möchte die Vertragstexte sehen. Erst wenn sie ausgehandelt sind und vorliegen, kann ich mir ein Urteil bilden. Wahrscheinlich kommt die Politik bei der Bewertung anschließend zu unterschiedlichen Urteilen. Das ist normal. Da können wir streiten. Inzwischen reden wir im Freihandel aber gar nicht mehr über Fakten, sondern nur noch über Gefühle und Stimmungen. Wenn diese Debattenkultur nicht besser wird, geht unser Gemeinwesen kaputt. grabExtra

Daniel Caspary (CDU) ist 1976 in Karlsruhe geboren und seit 2014 parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. grab

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort