Brisante Fragen rund ums Fass

BERNKASTEL-KUES. Wird Brüssel die Anreicherung mit Zucker im Weinmost verbieten? Wird Brüssel den Verschnitt von chilenischen Weinen mit Moselwein zulassen? Brisante Fragen, über die gestern hochrangige Vertreter der deutschen Weinwirtschaft und Weinbaupolitiker mit EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel diskutierten. Die Kommissarin will die Wettbewerbsfähigkeit von Europas Weinerzeugern stärken. Über das "Wie" gibt es aber Meinungsunterschiede.

Als Kind war Mariann Fischer-Boel mehrmals an der Mosel. "Meine Vater liebte diese Landschaft und den Wein", sagte sie gestern im Gespräch mit dem TV. Heute ist die Dänin EU-Agrarkommissarin und muss sich mit Übermengen, Strukturproblemen und Marktordnungsfragen befassen. Bei ihrem Vortrag in der Winzergenossenschaft Moselland eG schweifte ihr Blick immer wieder aus dem Fenster auf die Steilhänge der Mosel - "eine phantastische Landschaft". Aber welchen Stellenwert hat die "kleine Mosel" innerhalb der europäischen Weinbaupolitik? Offenbar keinen großen, denn ihr Vorschlag zur Weinmarktreform würde der Mosel gravierende Nachteile bringen. Noch ist nichts entschieden, noch können die Weinbauländer ihre Vorstellungen vorbringe, in der Hoffnung, dass ihre Interessen berücksichtigt werden. Und Fischer-Boel reist nicht nun nach Deutschland, sondern auch nach Frankreich, Italien, Griechenland, Portugal und Spanien. Jedes dieser Weinbauländer hat unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die EU-Weinmarktreform aussehen soll. Das Brüsseler Papier sieht unter anderem vor, die Verwendung von Saccharose zur Mostanreicherung zu verbieten, in der EU 400 000 Hektar Rebfläche stillzulegen und den Verschnitt europäischer Weine mit Weinen aus Übersee zuzulassen. Fischer-Boel: "Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Weinerzeuger in der EU verbessern, Angebot und Nachfrage ausgleichen und neue Märkte erschließen." Gleichzeitig sprach sich die EU-Kommissarin aber auch dafür aus, traditionelle Methoden der Weinerzeugung zu erhalten. Sie wolle zuhören, zuschauen und erklären, sagte sie den rund 50 geladenen Gästen aus der Weinwirtschaft und der Weinbaupolitik. Die endgültige Entscheidung über die Ausrichtung der europäischen Weinbaupolitik falle erst im kommenden Jahr, wenn die Kommission nach der Empfehlung des EU-Parlaments einen konkreten Gesetzesvorschlag unterbreiten werde. Europaabgeordnete Christa Klaß, die die EU-Kommissarin an die Mosel eingeladen hatte, machte deutlich, worum es der Mosel geht: "Für uns ist Wein mehr als ein Getränk. Wein ist Lebensstil, kulturelles Erbe und ein Stück Heimat." Und sie sagte: "Alle Parteien stehen zusammen, wenn es um unseren Wein geht.""Verbot der Saccharose akzeptieren wir nicht"

Das unterstrichen alle Redner. Ob der rheinland-pfälzische Weinbauminister Hendrik Hering, der Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, Rudolf Nickenig, der Präsident der Landwirtschaftskammer, Norbert Schindler, Mosel-Weinbaupräsident Adolf Schmitz oder die Abgeordneten Werner Langen (MdEP), Peter Bleser (MdB), Ulrike Höfken (MdB) und Alexander Licht (MdL): Alle waren sich einig: Das traditionelle Verfahren der Mostanreicherung mit Saccharose muss bleiben, und die EU sollte weniger Geld für die Weinvernichtung ausgeben, dafür mehr Mittel in die Vermarktung stecken. Eine weitere Forderung aller: Die Finanzmittel sollten in den jeweiligen nationalen Budgets zur Verfügung stehen. Rudolf Nickenig vom Deutschen Weinbauverband dazu: "Wenn ein Land Übermengen destillieren will, soll es das tun. Dann hat es aber weniger Geld für andere Maßnahmen zur Verfügung. Wir geben das Geld lieber für Marketingmaßnahmen aus."

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