Chronik einer schleichenden Katastrophe

OCKFEN. Als Familie Berend das schöne Haus in der Weinbau-Gemeinde Ockfen bezog, war die Welt noch in Ordnung. Inzwischen sind die Berends gesundheitlich und finanziell schwer geschädigt. Die Ursache: Schimmel. Ein Extremfall. Und doch könnte er fast überall passieren.

Gerd Berend ist schwer krank. Der Körper des Versicherungsmaklers reagiert extrem empfindlich auf Schimmelpilzsporen. Auch die kleine Tochter leidet. Eine schlimme Situation. Im Juli 1999 hatte noch niemand dieses Desaster geahnt. Damals bezog die Familie das Obergeschoss im Pfarrhaus der Kirchengemeinde Ockfen. Die Familie baute Kontakte zu den Nachbarn auf, wurde heimisch. Das Unheil nahte leise und schleichend: Wasserschäden im Januar 2001. Zwei Monate später entdeckt Gerd Berend Schimmel. Die Kirchengemeinde reagiert freundlich, lässt sich aber Zeit. Schließlich beginnt im Oktober 2001 die Renovierung. Aber der Schimmel wohnt weiter im Haus. Am 16. Oktober 2002 ist die Krankheit da. Vor allem Gerd Berend leidet unter quälenden Beschwerden. Auch die dreijährige Tochter zeigt allergische Reaktionen. Ursache laut Attest: Schimmelsporen. Erneut meldet man die Probleme der Gemeinde. Jetzt nimmt die Katastrophe immer rasanter Fahrt auf. Gerd Berend leitet im März 2003 ein Gutachter-Verfahren ein. Am 24. Juli liegt es vor. Ergebnis: überall in der Wohnung Schimmel. Ursache: Baumängel und fehlerhafte Sanierung. Da ist es schon zu spät. Gerd Berend hat sich an die Baupolizei gewandt. Er hatte Bischof Marx angeschrieben und mit Plakaten am Küchenfenster auf die besondere Situation hingewiesen. Als der Arzt am 18. Juli per Attest einen unverzüglichen Wohnungswechsel empfiehlt, verlassen die Berends fluchtartig das Haus. Die Tochter verbringt acht Wochen getrennt von Vater und Mutter bei den Großeltern in Portugal. Ein Großteil der Möbel ist verseucht und nicht mehr zu gebrauchen. Die Familie steht wirtschaftlich am Abgrund. Gerd Berend ist bis heute krank. Er ist kein einfacher Mensch. Mit wachsender Belastung reagiert er immer ungeduldiger und zunehmend aggressiv, schreibt Beschwerdebriefe, streitet sich, schaltet einen Rechtsanwalt ein, verweigert dem Vermieter den Zutritt. All das verschärft die Situation. Staatliche und kirchliche Behörden bleiben sachlich, verweisen auf die Rechtslage, auf Zuständigkeiten, auf die Unabhängigkeit der Justiz. Ein Satz taucht in den Antwortbriefen allerdings nie auf: "Wir werden uns unverzüglich um Abhilfe bemühen." Ortspfarrer Hubert Nickels räumt Fehler der Gemeinde ein, möchte sich nicht konkret äußern, betont aber nachdrücklich, dass er gerne helfen würde und für jeden Hinweis dankbar sei, der aus diesem "Irrgarten" führe. Inzwischen hat der neue Anwalt der Familie seine Vorstellungen präsentiert. Die entstandenen Kosten sollen von der Kirche mit einem Betrag weit unter dem errechneten Schaden reguliert werden. Das lehnt deren Anwalt in dieser Form ab. Jetzt wird es wohl zum Prozesskommen. Dabei genügt der gesunde Menschenverstand zur Beurteilung der Lage. Im Haus am Ockfener Herrenberg grassiert der Schimmel, und der ist Ursache für die Erkrankungen der Familie. Jetzt muss es darum gehen, deren Leiden zu mildern und die wirtschaftliche Existenz zu sichern. Gerd Berend zeigt die fünf Aktenordner mit dem Vorgang. "Damit würde ich gerne ein Freudenfeuer anzünden", sagt er.

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