Daimler glaubt weiter an den Diesel

Stuttgart · Der Marktanteil von Dieselfahrzeugen geht zurück. Mit Volvo zieht ein erster Hersteller Konsequenzen. Daimler hingegen schwört der Technologie die Treue.

Stuttgart (dpa) Daimlers Entwicklungsvorstand Ola Källenius sieht trotz Diskussionen über Fahrverbote noch eine lange Zukunft für den Diesel. "Wir investieren weiter in unsere Verbrennungsmotoren, sowohl Otto als auch Diesel", sagt er. Der Stuttgarter Autokonzern ist dabei, eine neue Motorengeneration auf den Markt zu bringen. "Aus heutiger Sicht gibt es keinen Grund zu sagen, es wird keine Nachfolgegeneration für diese Dieselfamilie geben." Volvo-Chef Hakan Samuelsson hatte zuvor angekündigt, nach der aktuellen Generation aus der Dieselentwicklung auszusteigen.
Daimlers Strategie ist eine andere: Bis 2025 soll der Anteil rein batterieelektrischer Autos am Daimler-Absatz zwar auf 15 bis 25 Prozent steigen. "Wir sprechen von mehreren Hunderttausend verkauften Elektroautos im Kalenderjahr 2025 für Mercedes", sagte Källenius. Zuletzt verkaufte Daimler aber mehr als zwei Millionen Autos pro Jahr. "Das heißt automatisch, dass 75 bis 85 Prozent einen Verbrennungsmotor an Bord haben werden - natürlich auch mit Elektro kombiniert."
Ausgerechnet an Daimlers Konzernsitz in Stuttgart wird derzeit aber über Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge diskutiert, um die Luft zu verbessern. Zu Gesprächen zwischen Herstellern und dem Landesverkehrsministerium, wie man ältere Diesel nachrüsten könnte und welche Folgen das für den Verbrauch hat, hielt sich Källenius bedeckt. "Wenn man eine Software-Lösung findet, wäre das sowohl technisch als auch kostenseitig ein realistischer Lösungsansatz", sagte er. "Wer die Kosten dafür tragen soll, darüber wird in diesem Kreis diskutiert. Dem möchte ich nicht vorgreifen."
Laut einem Test des ADAC führten sowohl neue Software als auch zusätzliche Hardware zu einem höheren Spritverbrauch.
Neuere Diesel, für die Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) nun über eine Kaufprämie nachdenkt, sind von dem drohenden Verbot in Stuttgart nicht betroffen. Daimler hat gerade erst drei Milliarden Euro in die Entwicklung einer neuen Motorenfamilie gesteckt. Der erste Dieselmotor dieser Generation befindet sich seit vergangenem Jahr in der E-Klasse auf der Straße. Selbst die ansonsten gegenüber den Stuttgartern sehr kritische Deutsche Umwelthilfe (DUH) erklärte, dass der Motor Grenzwerte im realen Fahrbetrieb einhält.
Bislang werden die Abgaswerte von Autos für die Zulassung nur im Labor getestet. Laut Umweltbundesamt überschreiten heutige Diesel-Autos oft den EU-Grenzwert um ein Vielfaches, wenn sie auf der Straße unterwegs sind. Hoffnungen liegen nun auf neuen Testverfahren, denn ab Herbst müssen die Werte von neuen Autos auch auf der Straße getestet werden. Die erste Stufe der neuen EU-Norm für den realen Fahrbetrieb (Real Driving Emissions, RDE) gilt von September an, die zweite greift drei Jahre später und reduziert die anfänglichen Lockerungen für den Stickoxidausstoß.
"Selbstverständlich entwickeln wir die Motoren so weiter, dass sie auch die zweite Stufe von RDE einhalten können", sagt Källenius. Damit werde es bei den Emissionen kaum noch Unterschiede zwischen Diesel und Benziner geben, wirbt der Daimler-Vorstand. "Und dann haben wir immer noch den Verbrauchsvorteil von 15 bis 20 Prozent beim Diesel."
Dieser Vorsprung gegenüber dem Benzinmotor macht den Diesel für die europäischen Autohersteller so wichtig. Denn so wollen sie die CO{-2}-Ziele der EU, die an den Kraftstoffverbrauch gekoppelt sind, für die von ihnen verkauften Fahrzeuge einhalten.
Wie viel Geld Daimler künftig noch in die Entwicklung von Dieselfahrzeugen stecken will, ließ Källenius offen. "In der Entwicklung wird der Verbrennungsmotor in Zukunft nicht unbedingt aufwendiger", sagt er. "Aber die Kosten je Motor sind auf jeden Fall eine Herausforderung - ganz klar."
Zuletzt hatten Dieselfahrzeuge in Deutschland bei der Zulassung Marktanteile verloren: In Deutschland ging der Wert im April gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,7 Prozentpunkte auf 41,3 Prozent zurück. In absoluten Zahlen sackte die Zahl der neu zugelassenen Dieselfahrzeuge im bisherigen Jahresverlauf um 8,1 Prozent ab. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger dürfte der Diesel-Anteil bei Mittel- und Oberklasseautos in Europa bis 2030 auf ein Drittel, bei Kleinwagen sogar gegen null fallen.
Bosch-Chef Volkmar Denner deutete, dass sinkende Diesel-Marktanteile nicht ohne Folgen für den Zulieferer bleiben würden. "Die Beschäftigungslage bei uns ist abhängig von der Auftragslage unserer Kunden", sagte er. "Wenn die Dieselmarktanteile weiterhin fallen, werden wir reagieren müssen."
Ola Källenius sagte dagegen: "Bei Mercedes-Benz sind die Diesel-Verkäufe in Europa stabil."

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