"Das Geschäft boomt"

TRIER. Die Verlockung ist groß: Gewinne winken, ein Mittagessen und ein Stadtbummel werden angeboten. Doch meistens steckt nichts dahinter. Die Anbieter solcher Gewinntouren wollen die Teilnehmer in der Regel nur abzocken.

Er kennt sie alle. Fast täglich kommen neue Namen hinzu. Thomas Wiegand hat sich zur Aufgabe gemacht, den miesen Abzockern das Handwerk zu legen. Jeden Tag verbringt der 38-jährige Berufssoldat aus dem bayrischen Mittenwald zwei bis drei Stunden seiner Freizeit damit, seine Internetseite www.gewinnbriefe.de auf den neuesten Stand zu bringen. Ständig melden sich Betroffene bei ihm, die wieder per Post, E-Mail oder SMS eine Gewinnnachricht erhalten haben. Oder es melden sich Leute, die an den angeblichen Gewinnübergaben in irgendwelchen entlegenen Gasthöfen teilgenommen haben, sei es, weil sie auf das Versprechen hereingefallen sind oder weil sie wissen wollten, was dahinter steckt, um andere davor zu warnen. "Es ist immer die gleiche Masche", weiß Wiegand. Vor über einem Jahr ist er auf die Idee gekommen, im Internet die Abzock-Firmen zu outen, nachdem er selbst eine solche Gewinnmitteilung erhalten hatte und aus Neugier an einer damit zusammenhängenden Verkaufsveranstaltung teilgenommen hat. Seine Erfahrungen hat er danach auf seiner privaten Homepage geschildert. Er wurde von einer Vielzahl von Anfragen von Betroffenen überschüttet, so dass er sich entschloss die Seite gewinnbriefe.de einzurichten. Seitdem ist es seine Passion, die Anbieter solch unseriöser Kaffee-Fahrten zu jagen. Mehrere dieser Veranstaltungen hat er nach eigenem Bekunden bereits verhindern können, etwa durch einen Anruf beim zuständigen Ordnungsamt (die meisten dieser Veranstalter haben den mehrstündigen Verkaufsmarathon nicht ordnungsgemäß angemeldet) oder durch Einschalten der Polizei. Das Ergebnis dieser Störungen: Wiegand hat schon mehrere Morddrohungen erhalten, seine Reifen am Auto wurden zerstochen. Trotzdem macht er weiter. "Das Geschäft boomt. Täglich kommen neue Anbieter hinzu", weiß er. Oft handelt es sich bei den Anbietern um "alte Bekannte", die nur unter anderem Namen existieren. Versucht man, etwas über die Firmen herauszufinden, kommt man selten weiter. Meistens sind es reine Briefkastenfirmen, die ständig ihre Postfach-Adresse wechseln. An die Hintermänner ist nur schwer ranzukommen. Doch eins ist laut Wiegand auffällig: Zahlreiche Absender der Gewinnmitteilungen geben ein Postfach in und um Cloppenburg an. Der Verbraucher-Schützer vermutet, dass es dort eine Firma gibt, die die Verkaufsveranstaltungen für die Anbieter organisiert, die Gasthöfe bucht und die Busunternehmen findet.Kurmittel, Arzneien, Matratzen und Reisen

Teilnehmer solcher als Gewinnübergabe getarnten Verkaufsveranstaltungen berichten immer wieder von ähnlichen Abläufen: Die Menschen werden mit dem Bus irgendwohin gekarrt, meistens erfahren sie erst im Bus, wohin die Reise geht, damit potenzielle "Störer" wie Wiegand nicht im Vorfeld die Veranstaltung verhindern können. In einem Nebenraum eines Gasthauses geht dann die mehrstündige Verkaufsshow los. Statt Heizdecken, wie oft vermutet, werden zumeist dubiose Kurmittel, Arzneimittel, die angeblich im freien Verkauf das Doppelte oder Dreifache kosten, Matratzen oder überteuerte Reisen angeboten. Die versprochenen Gewinne gibt es entweder gar nicht, sie werden auf den Kauf der meist minderwertigen Produkte angerechnet oder entpuppen sich als Nepp wie zum Beispiel das Fahrrad, das ein Miniatur-Rad war. Da aus den Gewinnmitteilungen oft nur sehr schwer hervorgeht, um welchen Preis es geht ("Außerdem haben Sie Ihren Hauptpreis aus der großen Herbstverlosung noch nicht eingelöst", heißt es zum Beispiel in einer Einladung von "Belinda Clubfahrten"), kann er auch nur schwer eingeklagt werden. Und das, obwohl der Bundesgerichtshof urteilte, dass jeder Empfänger solcher Gewinnmitteilungen ein Anrecht auf seinen Gewinn hat. Doch selbst wenn man klagen kann, ist es schwer, an die eigentlichen Hintermänner zu kommen. Schützen kann man sich auch nur schwer gegen die unerwünschte Post. Da sie in der Regel adressiert ist, hilft auch kein Aufkleber "Bitte keine Werbung" am Briefkasten. Die Post muss adressierte Briefe zustellen. Wegen der zunehmenden Ablehnung von Werbung sind übrigens immer mehr Anbieter auf den Dreh mit den adressierten Mitteilungen gekommen. So können sie sicher sein, dass ihr Lockangebot auch im Briefkasten landet und wahrscheinlich zumindest gelesen wird. Laut dem Bundesverband der Vertriebsfirmen (BDV) ist das Interesse an den Fahrten vor allem bei Älteren gar nicht so gering, angeblich hat schon jeder Fünfte an einer solchen Tour teilgenommen. Wer kein Interesse an einer Werbeverkaufsfahrt hat, der sollte die Gewinnmitteilung gleich in den Papierkorb werfen, rät Wiegand. Der sicherste Weg, keine unerwünschte Post zu bekommen, sei, nicht an Gewinnspielen unbekannter Unternehmen teilzunehmen. Laut Wiegand machen diese die Gewinnspiele nur, um an Adressen zu kommen und neue Kunden für ihre Shopping-Touren zu finden.

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