"Den ,Geist von Trier' brauchen wir überall in Deutschland"

Trier · 20 Trierer Zünfte und Vereinigungen schlossen vor 500 Jahren einen "Beistandspakt gegen die Willkür der Obrigkeit". Dies gilt als Geburtsstunde der Handwerkskammer. Mit einem ökumenischen Gottesdienst und einem Festakt gedachten die Handwerker des historischen Moments.

Trier. Was mochte wohl der Grund für diesen Beistandspakt gewesen sein? Die Trierer Handwerker wollten es wissen und hatten Professor Frank G. Hirschmann von der Universität Trier mit der Ursachenforschung beauftragt. Trotz intensivster Recherche konnte der den Grund jedoch nicht finden. Probleme mit dem Kurfürsten habe es zu dieser Zeit jedenfalls keine gegeben. Allerdings gab es schon im 12. Jahrhundert erste Zünfte in Trier.
Historische Interessenvertretung


Wobei diese sich in Ämter und Bruderschaften unterteilten. Der Unterschied: Bruderschaften vereinten die weniger qualifizierten Berufe wie Leinenweber, Weinknechte, Sackträger aber auch Köche. Dagegen waren Weber, Bäcker, Metzger, Dachdecker und Schuster in so genannten Ämtern zusammengeschlossen.
Trotz dieser Unterschiede kam es vor 500 Jahren zu einem historischen Zusammenschluss. "Es gibt wohl keinen Wirtschaftszweig, der auf eine längere Geschichte der Interessensvertretung zurückblicken kann als das Handwerk", sagte Hirschmann.
Und das nahm Deutschlands oberster Handwerker und Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, dankbar auf.
Für ihn sei klar, dass das Handwerk eine starke Interessenvertretung benötige. Diese finde sich in den Selbstverwaltungseinrichtungen wie Innungen, Kreishandwerkerschaften, Verbänden und Kammern. Selbstbewusst definierte Wollseifer die Rolle der Gremien: "Unsere Interessenvertretung wirkt als Partner, Berater und Motor der Politik." So kritisierte er die große Koalition für ihre Rente mit 63 - "ein falsches Signal." Man könne doch nicht früher aus dem Erwerbsleben aussteigen, wenn die Gesellschaft gleichzeitig immer älter werde, sagte Wollseifer.
Meisterbrief als Fundament


Gedanken machte er sich auch über die Energie- und Steuerpolitik, trat Angriffen aus Brüssel entgegen, die sich gegen den Meisterbrief richten: "Der Meisterbrief ist in Deutschland unverzichtbar, ist keine Wettbewerbsschranke und ist das Fundament des Handwerks in unserem Land."
Eine wesentliche Herausforderung liege zudem in der Nachwuchsgewinnung. Gerade auf regionaler Ebene sei das Handwerk ein unverzichtbarer Akteur bei der Ausbildung und Nahversorgung der Menschen.
Die Trierer Handwerker, die den Schwur von 1514 zum Festakt feierlich erneuerten, könnten stolz sein, dass sich aus der Bewegung von damals heute 29 Innungen entwickelt hätten, die einig und hilfsbereit zusammenstünden. "Diesen ,Geist von Trier\' brauchen wir überall in Deutschland", lobte der ZDH-Präsident. flo

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