Der Job geht durch die Hintertür
TRIER. Durch ein Hintertürchen sollen bis zu 26 000 deutsche Fleischer seit der EU-Erweiterung ihre Jobs an Billig-Kräfte aus dem Osten verloren haben - weil findige Geschäftsleute eine Regelung anders interpretieren, als sie gedacht war. Um die Region macht das Phänomen offenbar einen Bogen.
Billig-Kräfte aus Osteuropa überschwemmen den deutschen Arbeitsmarkt - diese Angst prägte viele Diskussionen im Vorfeld der EU-Osterweiterung zum Mai vergangenen Jahres. Das Ergebnis: eine Regelung, nach der die neuen EU-Bürger sieben Jahre lang kaum Zugang zu Arbeitsplätzen hierzulande haben. Dennoch scheinen sich die Befürchtungen zu bewahrheiten: Bis zu 26 000 deutsche Fleischer sollen seit dem EU-Beitritt von Polen, Tschechien & Co. ihre Jobs in großen Schlachthöfen an osteuropäische Billig-Arbeiter verloren haben. Das berichten Medien und die zuständige Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Wie kommt's?Subunternehmer schickt seine Arbeiter
Betriebe aus den neuen EU-Ländern dürfen Unternehmen in anderen Staaten Dienstleistungen anbieten - und damit öffnet sich findigen Geschäftsleuten ein Hintertürchen: Deutsche Schlachthöfe schließen mit osteuropäischen "Dienstleistern" Verträge über die Zerlegung einer bestimmten Zahl von Schweinen ab, der Subunternehmer schickt seine Arbeiter nach Deutschland - und lässt sie dort bisweilen unter menschenunwürdigen Umständen schuften: Es existieren Berichte über regelmäßige 14-Stunden-Schichten und körperliche Misshandlungen, Behausungen in heruntergekommenen Containern und Lohnbetrug. Was derzeit in der Fleischerei-Wirtschaft geschehe, falle nicht unter die Dienstleistungsfreiheit, sondern sei "missbräuchliche Arbeitnehmerüberlassung", sagt die Sprecherin der Hamburger NGG-Zentrale, Karin Vladimirov, dem TV . Ähnlich sieht das Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Er spricht von "mutmaßlichen Regelverletzungen" und kündigt an: "Dem werden wir entschieden nachgehen." In der Region Trier sind die derzeit für Aufregung sorgenden Praktiken offenbar kein Thema: Ihm sei von Entlassungen nichts bekannt, sagt der Trierer NGG-Gewerkschaftssekretär Klaus Schuh. "Wir sind allerdings auch keine Fleisch-verarbeitende Region mehr." Paul J. Simon, Geschäftsführer des einzigen Groß-Betriebs in der Region, dem EG-Schlachthof Simon in Wittlich, betont, mit solchen Geschäften nichts zu tun zu haben. Zwischen 60 und 70 seiner 350 Mitarbeiter seien Ausländer, und zwar Ungarn, sagt er. Es handele sich dabei um "gut ausgebildete Fachkräfte", die über die so genannte Kontingentregelung nach Deutschland gekommen seien. Danach konnten schon seit Jahren Ausländer eingestellt werden, wenn für einen Job keine deutschen Kräfte zur Verfügung standen. Es durften aber immer nur 6000 fremde Arbeiter gleichzeitig im Lande sein. Seine Beschäftigten hätten "ein ordentliches Vertragswerk", sie verdienten 15 bis 16 Euro pro Stunde und wohnten "in schönen, 100-Quadratmeter-Wohnungen im Konversionsgebiet - besser als mancher Deutsche", sagt Simon. Kollegen vor allem im norddeutschen Raum arbeiteten teilweise zwar mit osteuropäischen Billig-Kräften, die Zahl von 26 000 weggefallenen Stellen hält der Wittlicher Manager aber für "völlig übertrieben", spricht von einer "Medienhetze der NGG". "Ich bin froh über jeden Deutschen, der für uns arbeiten will", sagt Simon - doch es gebe hierzulande kaum jemanden, der bereit sei, als Schlachter und Zerleger tätig zu sein. "Wenn wir die Ungarn nicht hätten, könnten wir morgen zu machen." Bei mittelständischen Metzgern seien Billig-Kräfte kein Thema, sagt Horst Bösen, Obermeister der Fleischer-Innung Bernkastel-Wittlich. Durch die damit einhergehende weitere Verschärfung des Preisdrucks sehe sich sein Handwerk nicht bedroht. Mit Discounter-Preisen könne man ohnehin nicht konkurrieren. Bösen geht davon aus, dass qualitätsbewusste Kunden ungeachtet neuer Tiefstpreise in Billig-Läden weiterhin beim Metzger an der Ecke kaufen: "Bei uns im Handwerk ist die Welt noch in Ordnung." hw/sey