Der Sprung ins neue Berufsleben

Kenn · Der Sprung in die Selbstständigkeit erfordert viel Mut. Dachdeckermeister Timo Kesselheim und seine Frau Nicole wagen trotzdem die Existenzgründung. Der Volksfreund begleitet die junge Familie bei dem Schritt, dokumentiert einzelne Etappen, ist dabei, wenn Hürden genommen und Erfolge gefeiert werden, aber auch, wenn Niederlagen zu verkraften sind.

 Unternehmensberater Cliff Winnecke (links) begleitet Nicole und Timo Kesselheim in die Selbstständigkeit. Immer dabei: Sohn Luis. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Unternehmensberater Cliff Winnecke (links) begleitet Nicole und Timo Kesselheim in die Selbstständigkeit. Immer dabei: Sohn Luis. TV-Foto: Heribert Waschbüsch

Foto: (g_wirt )

Kenn. Timo Kesselheim und seine Frau Nicole stehen derzeit in der vielleicht wichtigsten Phase ihres Berufslebens. Der Dachdeckermeister möchte sich selbstständig machen - seine Frau Nicole ist ihm dabei eine wichtige Stütze. Der TV begleitet die Familie mit ihren beiden Kindern, der zweijährigen Lilli und dem fünf Monate alten Luis.Spannender Lebensabschnitt


Für Familie Kesselheim sind die kommenden Monate richtungweisend. Der Wunsch von der Selbstständigkeit treibt Timo Kesselheim schon lange an. Doch erst als er in diesem Frühjahr, am 15. Mai, seinen Job verliert, treffen er und seine Frau den Entschluss.
Der 36-jährige Timo Kesselheim hat Mitte der 90er eine Schreinerlehre begonnen, hat dann aber schnell umgesattelt. 1995 ist er aufs Dach gestiegen und hat seine Dachdeckerlehre begonnen. Nach seinem Gesellenabschluss 1998 hat er in unterschiedlichen Betrieben Erfahrungen gesammelt, bevor er 2008 den Dachdeckermeister in Teilzeit bei der Handwerkskammer Trier ablegte. Damit übernahm er auch in den Betrieben, in denen er arbeitete, eine Führungsposition. "Ich habe neben dem handwerklichen Bereich auch kaufmännische Tätigkeiten übernommen", erzählt Timo Kesselheim. Seit 2012 stieg der Dachdeckermeister bereits über sein Nebengewerbe ein wenig in die Selbstständigkeit ein. "Die Tätigkeit musste natürlich vom Arbeitgeber genehmigt sein und geduldet werden", sagt Kesselheim. Bis zum Frühjahr lief das "berufliche Doppelleben", doch dann kam es zur Trennung. "Das war der Punkt, an dem ich mir sagte, jetzt starten wir in die Selbstständigkeit." Blauäugig oder unerfahren geht dabei das Ehepaar nicht an das berufliche Abenteuer heran. Nicole Kesselheim hat an der Hochschule Trier BWL mit Schwerpunkt Marketing und Vertrieb studiert und kommt aus einer Unternehmerfamilie. Bis zu ihrer Elternzeit hat sie im elterlichen Betrieb Tormafa den Vertrieb der Schnelllauftore und Maschinenschutztore geleitet.Viele Gespräche


"Wir haben uns mit viel Elan an die Aufgaben gemacht - Gespräche mit der Handwerkskammer, der Arbeitsagentur, dem Bankberater geführt", erzählt Nicole Kesselheim. Schon bei der Namensfindung haben sich Nicole und Timo Kesselheim große Mühe gegeben. "Meister und Dach sollten zu einem Namen verschmelzen. MeisterDach, damit sowohl den Titel, also ein Meisterbetrieb, und die Kernkompetenz, das Gewerk beinhalten", erklärt Nicole Kesselheim die eigenen Überlegungen. "Der Name ist für uns ein wichtiges Aushängeschild", erklärt ihr Mann. Auch, was die Gesellschaftsform des eigenen Unternehmens angeht, haben sich die beiden viele Gedanken gemacht. "Wir haben uns nun für ein Einzelunternehmen entschieden", sagt Nicole Kesselheim, denn es gelte natürlich alle Vor- und Nachteile abzuwägen und das Risiko abzuschätzen, das man auch als junge Familie eingehe.
All das kostet viel Zeit, Zeit und Energie, die das angehende Unternehmerehepaar lieber in den eigenen Betrieb stecken würden. "An diesem Punkt haben wir uns gesagt, wir brauchen einen Berater."
Hier kommt Cliff Winnecke ins Spiel. Er ist seit zehn Jahren Unternehmensberater in der Region Trier und steht nun dem Ehepaar zur Seite.
"Ein Unternehmensberater? Rechnet sich das?", stellt er denn auch gleich die Frage über den Nutzen, einen Berater hinzuzuziehen. "Im Prinzip kann jeder, der sich selbstständig machen möchte, das auch alleine schaffen", sagt Winnecke. "Das Problem ist aber ganz schnell die Zeit, weil sich die Gründer mit vielen, für sie themenfremden Gebieten beschäftigen müssen: Steuerrecht, Finanzplanung, Handwerkkredit, die Vorbereitung der Bankgespräche und vieles mehr", sagt der Berater.
Gemeinsam mit Timo und Nicole Kesselheim haben sie die Aufgaben strukturiert (siehe Extra).
Der Unternehmensberater hat in den vergangenen Jahren Dutzende Existenzgründer auf ihren Firmenstart vorbereitet - und jede Herausforderung ist anders.
Cliff Winnecke macht dies mit einigen Beispielen klar: "Ein Kandidat stellte sich bei mir vor und erklärte, er wolle 38,5 Stunden in der Woche arbeiten. Ich habe ihm geraten, sich eine Anstellung zu suchen, denn so hat eine Gründung keinen Zweck." Der zeitliche Aufwand für Unternehmer ist hoch. Das wissen auch Timo und Nicole Kesselheim. "Wir kennen beide die Anforderungen", sagt Nicole Kesselheim. "Wichtig ist hier, dass beide hinter der Gründung stehen und auch ihr Familienleben hochhalten", sagt Winnecke, der fest glaubt, dass die Familie die Balance findet. "Ganz wichtig ist es, dass man vernünftig gründet und sich zeitlich wie finanziell einen Spielraum lässt." Allein kann Timo Kesselheim den Vollzeitbetrieb als Dachdeckermeister nicht aufnehmen. "Ich brauche sicher mindestens einen Helfer", sagt der Handwerker. Auch für den Unternehmensberater ist das klar: "Ein Meister ist viel zu teuer, um ständig die Leiter rauf und runter zu steigen. Dafür braucht er einen Helfer."
Bei der Büroarbeit und dem Marketing kann sich Timo Kesselheim ganz auf seine Frau verlassen. Schon jetzt sieht man ihre geschickte Hand: Unter dem Firmennamen Meisterdach ist Timo Kesselheim schon im Nebenerwerb im Einsatz. Das Betriebsfahrzeug ziert ein Foto der Tochter im Maxiformat, die für den Betrieb ihres Papas Werbung macht. "In der Anfangsphase ist es wichtig, dass wir nach guter Arbeit auch von den Kunden weiterempfohlen werden", freut sich Nicole Kesselheim darauf, dass es endlich losgeht. Bisher darf ihr Ehemann im Nebenerwerb nur wenige Stunden in der Woche arbeiten und im Monat ein paar Euro zum Arbeitslosengeld hinzuverdienen. "Das ist hart, aber in Ordnung", sagt der Handwerksmeister. Es sei ja nicht Sinn, dass man als Arbeitsloser grenzenlos dazuverdienen kann.
Nicole und Timo Kesselheim sind sich einig: "Wir starten nun in die Selbstständigkeit!"Extra

Beratungsprogramm: Bei der Existenzgründung werden Interessierte von der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) unterstützt. So können bei einer Existenzgründungsberatung oder Betriebsübergabeberatung bis zu sechs Tagewerke Beratung gefördert werden, und zwar bis zu 800 Euro je Tagewerk. Der Zuschuss beträgt damit 50 Prozent der in Rechnung gestellten Beratungskosten, also 400 Euro je Tag. Die Berater müssen in der KfW-Beraterbörse gelistet und für das dort angebotenen Gründercoaching freigeschaltet sein. Anträge sind vor der Beauftragung des Beraters über die zuständige Kammer (HWK, IHK und Landesverband der freien Berufe) einzureichen. Finanzplanung: "Alle Zahlen müssen hier auf den Tisch", sagt Winnecke. Was haben Sie bisher verdient? Was können Sie in Zukunft verdienen? Welche laufenden Kosten müssen monatlich gedeckt werden? Was benötigen Sie, um Ihren Lebensstandard zu halten? "Denn am Ende steht die Frage, lässt sich mit einem Unternehmen das Geld verdienen, was ich zum Leben brauche", sagt der Berater. Bei der ein oder anderen Unternehmensgründung gab es auch für den Unternehmensberater schon mal eine Überraschung. "Ich muss noch Unterhalt zahlen, das darf meine Frau nicht erfahren, hat mir vor vielen Jahren ein angehender Unternehmer erklärt", erinnert sich Cliff Winnecke. Gerade an diesem Punkt sollte jeder Gründungswillige ehrlich mit sich selbst sein, sonst würde der Traum vom eigenen Betrieb schnell misslingen. Liquiditätsprüfung: Wie viele Stunden muss ich selbst arbeiten, damit ich rundkomme? Welche Mittel (Werkzeuge, Fahrzeuge, Büro) brauche ich für mein Unternehmen? Wie viele Mitarbeiter muss ich einstellen? Die Betriebsgründung steht an und das Ehepaar hofft, dass die Arbeitsagentur den Firmenstart mit einem Gründungszuschuss unterstützt. "Es wäre gerade in der Anfangsphase wichtig. Zudem wird Timo Kesselheim ja auch weitere Kräfte brauchen und den Arbeitsmarkt entlasten", sagt Cliff Winnecke. Das Unternehmerehepaar denkt daran, schon zum Betriebsstart einen Mitarbeiter zu suchen. Eine Förderung würde also nachhaltig den Arbeitsmarkt entlasten - mit dem Unternehmer, der aus der Statistik herausfällt, und weiteren Beschäftigten. hw

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