Die Last-Minute-Reform

TRIER. Die Zeit wird knapp. In den Lohnbuchhaltungen und bei Steuerberatern herrscht derzeit Stress. Falls die Steuerreform kommt, muss bis Januar Klarheit herrschen und die neuen Lohnabrechnungsprogramme laufen.

Finanzbeamte, Steuerberater und Lohnbuchhalter sind in diesen Tagen nicht zu beneiden. Während in Berlin mit heißer Nadel an einer Steuerreform gestrickt wird, sollen sie ab Januar mit den Neuerungen arbeiten und sie vermitteln. So kurz vor knapp gab es in Deutschland noch keine Änderung der Steuergesetze. Bis die Steuerexperten nämlich durch das komplizierte Reformwerk durchblicken werden, kann es Wochen dauern.Mehrarbeit für die Finanzämter

Den Finanzämtern steht auf jeden Fall Mehrarbeit ins Haus. Die Freibeträge für 2004 sind längst auf den Steuerkarten eingetragen, die bei den Arbeitgebern abgegeben wurden. Kommt es etwa zur angedrohten Kürzung der Entfernungspauschale, wären die angesetzten Freibeträge zu hoch. Dann muss bei der Steuererklärung nachgezahlt werden. "Im günstigsten Fall geht das gerade mit den geplanten Steuersenkungen eins zu eins auf", sagt Josef Ludwig, Vizepräsident der Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz. "Das wird ein absolutes Chaos", befürchtet er. Das glaubt auch Dieter Lau, Vizepräsident des Steuerzahlerbundes. "Auf die Steuerzahler kommen gravierende Einschnitte zu, selbst dann, wenn man sich auf das dringend notwendige Vorziehen der Steuerreform einigt." Lau befürchtet, dass nach dem "Gewürge" im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss präsentiert wird, mit dem niemand zufrieden sein kann. "Außer man ist froh, weil endlich Klarheit herrscht, auf was man sich einstellen muss." Er rät: Jeder sollte sich so gut wie möglich schlau machen über die Steueränderungen und seine Gehaltsabrechnung genauestens danach abklopfen. "Die Politiker dürfen nicht noch einmal ein solches Spiel mit den Steuerzahlern spielen", warnt er. In den Software-Firmen, die Programme für die Lohnabrechnungen anbieten, herrscht derzeit Stress. So etwa bei Datev in Nürnberg, dem größten Anbieter für Steuersoftware. Dort werden Monat für Monat über 7,5 Millionen Löhne von Firmen abgerechnet. Über Weihnachten und Neujahr wurde Urlaubssperre verhängt. Doch mehr als Kaffeesatzleserei können die Mitarbeiter momentan nicht betreiben. Sollte das neue Steuergesetz wirklich erst auf den letzten Drücker am 18. oder 19. Dezember auf den Weg gebracht und schlimmstenfalls völlig neue Ideen aus dem Hut gezaubert werden, müssten die Software-Experten mit Hochdruck über Weihnachten arbeiten um die Programme bis Anfang Januar fertig zu bekommen. "Es ist machbar", heißt es bei Datev. Auch auf den Chefetagen in vielen Unternehmen herrscht derzeit Unsicherheit. Denn die Steuerreform könnte die kompletten Planungen für 2004 durcheinander bringen. Nicht nur dass die Steuersätze gesenkt werden sollen, ungewiss ist auch, ob eine Mindestbesteuerung für Unternehmen kommt, ob die Gewerbesteuer wegfällt und was aus den Subventionen wird. Die Etats der großen Unternehmen sind längst verabschiedet. Innerhalb von Tagen müsste die Jahresplanung angepasst werden. Die Firmenbosse erwarten daher kaum einen Impuls durch die Steuerreform. Ein echter Ruck werde ausbleiben, sagen die Arbeitgeber."Warum", fragen sich nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Steuerberater und Finanzbeamten, "konnten sich die Politiker nicht schon Mitte des Jahres auf eine Steuerreform einigen, dann bräuchte man jetzt nicht Last-Minute darum zu ringen?" Dieter Lau befürchtet einen "Sturm der Entrüstung", wenn die endgültige Reform endlich mal auf dem Tisch liegt. "Die Politiker setzen offenbar drauf, dass sie nach Bekanntwerden der Ergebnisse und der Verabschiedung der Reform in die Stille der Weihnachtstage abtauchen können, um so dem Sturm der Entrüstung zu entgehen. "

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