Die Luft geht an die Börse

BIRKENFELD. Spätestens seit der Umweltkonferenz im japanischen Kyoto 1997 geistert das Schlagwort "Emissionshandel" durch die Welt. Ab 1. Januar 2005 soll in Deutschland mit Zertifikaten gehandelt werden, die Unternehmern das Recht geben, die Luft im festgelegten Umfang zu verschmutzen. Milliarden werden mit diesem Handel umsetzen, glaubt der Trierer Umweltrechtler Tilman Cosack. Doch es gibt enormen Zeitdruck.

Hat nun endlich jemand einen Weg gefunden, aus Luft Geld zu machen? Cosack: Es sieht ganz so aus. Zum ersten Mal haben wir den Fall, dass man für ein Umweltgut zahlen muss. Überspitzt ausgedrückt: Ich kann mir als Unternehmer mein Recht auf Umweltverschmutzung kaufen. Das ist etwas Besonderes, weil bisher die Nutzung von Umweltgütern - von wenigen Ausnahmen abgesehen - kostenlos war. Wenn das so weiter geht, müssen wir vielleicht irgendwann mal auch unsere Luft zum Atmen bezahlen ... Und die Unternehmer freuen sich riesig ... Cosack: Das normale Genehmigungsverfahren ist schon sehr aufwändig. Jetzt kommt mit den Emissionszertifikaten für Neuanlagen noch eine weitere Zulassungsvoraussetzung dazu. Auch die Betreiber von bereits bestehenden Anlagen werden über kurz oder lang in das System einbezogen werden. Ein bislang kostenloser Produktionsfaktor wird kostenpflichtig. Es ist nachvollziehbar, dass sich die Begeisterung vieler Unternehmen für den Emissionsrechtehandel in Deutschland in engen Grenzen hält. Wie muss man sich das vorstellen: Geht ab dem 1. Januar 2005 der deutsche Unternehmer zu einer Behörde und erhält eine Anzahl Zertifikate, die seinem Betrieb erlauben, eine bestimmte Menge Kohlenstoffdioxid auszustoßen? Cosack: Im Groben wird es wahrscheinlich so laufen. Die gesamte Umsetzung steht aber unter enormem Zeitdruck. Die betrifft insbesondere die Einzelheiten der Zertifikat-Zuteilung. Es ist eine gigantische Aufgabe, den dafür notwendigen Verwaltungsapparat aufzubauen. Eine Aufgabe, die die Bundesregierung nicht rechtzeitig erfüllen kann? Cosack: Davon gehe ich fast aus. Ab dem 1. Januar 2005 muss das Recht, Kohlenstoffdioxid auszustoßen, als Gut handelbar sein. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es noch in diesem Jahr gelingen wird, die Verwaltung auf diese Aufgabe ausreichend vorzubereiten. Es ist schon ein gewaltiger Aufwand, festzustellen, wer emittiert was und wie viel, und wie sieht der jeweilige technische Stand der einzelnen Anlage aus. Angesichts dieses Aufwands: Hätte man nicht auch auf dieses System verzichten können? Cosack: So negativ würde ich das nicht sehen. Der Handel mit Emissionsrechten schafft Anreize, die gesamten Produktionsabläufe im Unternehmen zu durchleuchten und entsprechend ihren CO2-Einsparpotenzialen zu verbessern. Dies wird den Ausstoß von Treibhausgasen dort stark verringern, wo sich Maßnahmen preiswert umsetzen lassen. Emissionshandel führt also dazu, dass Klimaschutz - volkswirtschaftlich gesehen - mit deutlich niedrigeren Kosten erreicht wird. Und er lässt den Unternehmern mehr Handlungsalternativen als etwa strikte Grenzwertvorgaben durch den Staat. Können Unternehmen wegen des Emissionshandels Pleite gehen? Cosack: Bis 2012 sollen die Emissions-Zertifikate weitgehend kostenfrei zugeteilt werden. Danach müssen die Unternehmer für ihren CO2-Ausstoß zahlen. Es ist durchaus denkbar, dass die Belastung so groß sein wird, dass für einige Unternehmen die Produktion dann nicht mehr rentabel ist. Aber im Moment können deutsche Unternehmer doch gar nicht wissen, welche Kosten auf sie zukommen? Cosack: Nein, sie können es zu diesem Zeitpunkt nicht abschätzen. Die wichtigste Frage für sie ist: Gehört mein Betrieb zu den Anlagen, die bei der erstmaligen kostenlosen Zuteilung genügend Zertifikate bekommen? Ob das der Fall ist, ist erst absehbar, wenn der nationale Zuteilungsplan steht. Warum? Cosack: Weil der Unternehmer dann weiß, wie seine Grundausstattung mit Zertifikaten aussieht, und ob es sich finanziell lohnt, den CO2-Ausstoß zu verringern. Denn wer einen hohen Technologiestand hat - also bereits umweltfreundlich produziert -, muss viel Geld investieren, um noch weniger CO2auszustoßen. Umgekehrt: Wenn ein Unternehmen die Möglichkeit hat, seinen CO2-Ausstoß kostengünstig zu verringern, kann es die Menge an Zertifikaten, die es für die eigene Produktion nicht benötigt, an andere veräußern. Und verdient im Ergebnis daran, dass es veraltete Produktionsverfahren durch umweltfreundlichere ersetzt. Wie viel wird denn ein einzelnes Zertifikat kosten? Cosack: Das kann man derzeit noch nicht abschließend sagen, da die entsprechenden Bewertungskriterien noch zu entwickeln sind. Zudem wird natürlich die Nachfrage den Preis bestimmen. Sicher ist nur, dass es nicht nur um Millionen, sondern um Milliarden Euro gehen wird. Also um Dimensionen, die durchaus mit den UMTS-Lizenzen vergleichbar sind. Mit Tilman Cosack sprach TV-Redakteurin Jennifer Falk.

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