Die kernigen Milliardäre

Trier · Wenn das Gaspedal, etwa auf der Autobahn, ein bisschen tiefer gedrückt wird und der Wagen hörbar über eine Unebenheit ruckelt, dann beruhigt es zu wissen, dass Autoreifen einiges aushalten - auch da, wo der Pneu die Felge berührt. Die Mitarbeiter von Michelin in Trier tragen bei den Reifen ihrer Marke dazu einiges bei.

 Mitarbeiter Avni Memaj (links) und Standortleiter Cyrille Beau präsentieren den milliardsten Wulstkern.TV-Foto: Frank Göbel

Mitarbeiter Avni Memaj (links) und Standortleiter Cyrille Beau präsentieren den milliardsten Wulstkern.TV-Foto: Frank Göbel

Trier. Für die nötige Stabilität bei Michelinreifen sorgen Metallringe, die in den beiden Wülsten des Reifens eingearbeitet sind und die darum "Wulstkerne" heißen. Seit 1971 werden sie unter anderem im Trierer Michelinwerk produziert. Jetzt zum einmilliardsten mal.
Hohe Kompetenz


Eine Wegmarke, die Standortleiter Cyrille Beau stolz macht: "Wir fertigen rund ein Viertel aller Wulstkerne, die weltweit in Michelin-Reifen eingearbeitet werden", erklärt er, und sein Produktionsleiter Klaus-Dieter Schneider ergänzt: "Das sind etwa 150 000 Stück pro Tag. Davon wird rund die Hälfte in Deutschland weiter verarbeitet." Das geschieht beispielsweise in den Werken in Bad Kreuznach, Bamberg und Karlsruhe. Doch erst das Bauteil aus Trier verleiht dem Reifen sein tiefstes Inneres - seine Seele: So heißt der erste, aus kohlenstoffarmem Weichstahl geformte innere Ring im Wulstkern. Der Rohstoff dazu kommt von Spulen, die rund eine Tonne schwer sind. Stücke werden automatisch abgeschnitten, zum Ring geformt, die Enden verschweißt.
"Nur durch Energie, ohne irgendwelche Zusätze", erklärt Schneider in der Werkshalle in der Nähe des Hafens. Dort ist es hell, moderat laut und die Atmosphäre angenehm. "Der Stahl, den wir verwenden, kann rosten. Darum ist hier alles vollklimatisiert", sagt Schneider. Die Arbeiter in der Halle begleiten den aus sieben Arbeitsschritten bestehenden Prozess bis zum fertigen Produkt an Maschinen, in denen viel Know-how steckt, das hier vor Ort gesammelt wurde. "Dafür sind wir in der ganzen Michelinwelt anerkannt", erklärt Pressesprecherin Ulrike Dalheimer.
Um die "Seelen" werden an weiteren Maschinen schließlich acht bis zehn Lagen Draht gewickelt. Diese feineren Drähte wurden früher auch hier in Pfalzel hergestellt - bis Ende 2005. Die Herstellung wurde unprofitabel und darum eingestellt, 137 von 285 Mitarbeitern wurden entlassen. Ein Schock, von dem sich das Werk nur langsam erholte: Inzwischen ist die zeitweise auf 90 Mitarbeiter geschrumpfte Belegschaft aber wieder auf 110 angewachsen - und Standortleiter Beau sieht das Werk gut aufgestellt: "Wir haben uns etwa rechtzeitig vorbereitet auf die Anforderungen größerer Reifen, wie sie zum Beispiel für Geländewagen gebraucht werden."
Natürlich müsste kontinuierlich an Innovation und Produktivität gearbeitet werden, um die hohen Kosten auszugleichen, die in Deutschland etwa für Lohn und Energie anfielen - aber es fehle nicht an Ideen: "Wir achten hier sehr auf Polyvalenz", gibt der Standortleiter ein Beispiel. "Das heißt, unsere Mitarbeiter können nicht nur stur an einer Stelle, sondern sehr vielseitig eingesetzt werden und sich selbst in Teams organisieren." Aber natürlich kann man auch an den Maschinen immer noch etwas verbessern - auch wenn es die "am weitesten entwickelten im Konzern sind", wie Produktionsleiter Schneider lächelnd versichert.
"Am produktivsten, am genauesten, am schnellsten!" Schnell muss auch die weitere Verarbeitung der Wulstkerne geschehen: Die wichtigen Metallteile haben wegen der Rostgefahr außerhalb des Reifens ein Haltbarkeitsdatum, sagt Schneider: "Nach einem Jahr müssen die verabeitet werden."

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