"Die machen uns kaputt"

TRIER. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts sorgt für Unmut unter Nebenerwerbslandwirten: Die Ehefrau eines Bauern muss sich in der landwirtschaftlichen Alterskasse versichern, auch wenn sie gar nicht im Betrieb mitarbeitet. Ein Landwirt aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich rechnet nun mit einer saftigen Nachzahlung für die Pflichtmitgliedschaft seiner Frau in der Alterskasse.

Robert Rahm (Namen der Betroffenen geändert) ist Nebenerwerbslandwirt. Auf einer 3000 Quadratmeter großen Weide in einem Dorf im Kreis Bernkastel-Wittlich hält er 20 Rinder. Geld verdient er kaum damit ("Bei den Schlachtviehpreisen kann man doch keinen Gewinn machen"). Es ist einfach sein Hobby. Der 39-Jährige mag Tiere, sein Onkel hat in ihm als Kind das Interesse an der Landwirtschaft geweckt. Neben Rindern hält er sich auch noch ein paar Hühner. Nun versucht Rahm sich damit seit zwei Jahren ein zweites Standbein aufzubauen, neben seinem Job als LKW-Fahrer. Zumindest die Eigenversorgung mit Fleisch und Eiern soll gesichert sein. Doch nun macht ihm das Bundesverfassungsgericht einen Strich durch die Rechnung. Rahm rechnet damit, dass er gut 3000 Euro nachzahlen muss. Und das nur, weil die Karlsruhe Richter entschieden haben, dass seine Frau, mit der er seit August 2002 verheiratet ist, "schutzbedürftig" ist und durch die Pflichtmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Alterskasse einen eigenen Rentenanspruch erwerben soll. 201 Euro pro Monat kostet die Mitgliedschaft pro Versicherten in der Alterskasse der Rentenversicherung der Bauern. Für jeden Monat, den sie mit Robert Rahm verheiratet ist, soll Ehefrau Sibylle nun exakt diesen Betrag nachzahlen. Notfalls soll das Geld zwangsweise eingetrieben werden, hat man ihnen nun mitgeteilt. Nur wenn ein Landwirt weniger als 31 000 Euro verdient, können Zuschüsse von bis zu 70 Prozent beantragt werden. Rahm fällt nicht darunter, sein Verdienst als LKW-Fahrer liegt darüber. Seine Frau ist Hausfrau und Mutter von vier Kindern. "Ich habe mit dem Betrieb gar nichts zu tun. Das macht mein Mann. Ich habe dafür auch gar keine Zeit", sagt die 35-Jährige. "Egal", sagen aber die Richter in Karlsruhe. Dass Ehegatten, die selbst gar nicht im Betrieb mitarbeiten, Beiträge in die Alterskasse bezahlen müssten, sei zulässig. Der Gesetzgeber dürfe "in generalisierender Weise" alle Landwirtschaftsehegatten für schutzbedürftig halten. Soll heißen: Auch Frauen, die gar nichts mit der Landwirtschaft am Hut haben, müssen den vollen Beitragssatz zahlen. Selbst dann, wenn ihr Mann nur im Nebenjob als Bauer tätig ist. Und selbst, wenn ihr Mann keinen Cent in die landwirtschaftliche Alterskasse zahlt, weil er nämlich, wie es bei Robert Rahm der Fall ist, als Arbeitnehmer in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt. Rahm sieht nicht die Fürsorge für die Bauersfrauen im Vordergrund dieser gesetzlichen Regelung, sondern eher ein System: "Die wollen damit die kleinen Bauern kaputt machen, damit die großen noch größer werden", ärgert er sich. Der Hobby-Rinderzüchter überlegt sich nun ernsthaft, ob er nicht alles aufgeben soll. Beim Bauernverband zeigt man einerseits Verständnis für den "besonderen Härtefall", verteidigt aber auf der anderen Seite das Urteil und die Gesetzgebung: "Eines Tages wird die Frau froh sein, dass sie Beiträge bezahlt hat", glaubt Herbert Netter, Sprecher des Bauernverbands Rheinland-Nassau in Koblenz. Außerdem, so Netter, sei der Passus, dass die Ehefrauen der Bauern auch Pflichtbeiträge in die Alterskassen zahlen, auf Initiative der Landfrauen 1995 in das Gesetz aufgenommen worden. Auch wenn viele Frauen sagten, sie würden nicht im Betrieb mitarbeiten, widerspreche das den Tatsachen, behauptet die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG)."Nicht unerhebliche Beitragsbelastung"

Zwar erkannten die Karlsruher Richter bei ihrer Entscheidung im vergangenen Dezember, dass es sich bei der Pflichtmitgliedschaft um eine "nicht unerhebliche Beitragsbelastung" handele und dass damit "ein Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit" vorliege. Aber all das sei verfassungsrechtlich legitimiert. Das Bundesverfassungsgericht schmetterte damit eine Klage einer Mutter von vier Kindern ab, die ihren Schwiegervater und den kompletten Haushalt betreut. Im landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes könne sie aus Zeitgründen gar nicht mitarbeiten, begründet die Frau ihre Klage. Trotzdem entschieden sowohl das Bundessozialgericht als auch Karlsruhe, dass sie trotzdem in die Alterskasse bezahlen müsse. Begründung der Verfassungsrichter: Durch mehr Beitragszahler stelle der Gesetzgeber eine funktionsfähige Alterssicherung in der Landwirtschaft sicher. Rahm versteht nicht, warum es überhaupt die seiner Meinung nach viel zu hohen Pflichtbeiträge gibt. Wenn seine Frau in die Rentenkasse zahlen müsse, dann müssten das seiner Ansicht nach alle Hausfrauen. Es sollte zumindest allen Frauen von Landwirten freigestellt werden, ob sie in die Alterskasse zahlen oder eine freiwillige Versicherung abschließen. "Das wäre auf jeden Fall billiger für die Frauen", glaubt Rahm und beginnt wieder zu rechnen, wie er demnächst über die Runden kommt.

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