Drei Sekunden bis zur Bauchlandung

Luxemburg · Ein menschlicher Fehler hat am 30. September zur Bauchlandung einer Luxair-Maschine geführt. Demnach hat der Co-Pilot den Schalthebel fürs Fahrwerk zu früh betätigt. Niemand der 20 Menschen an Bord wurde verletzt, wohl auch nur, weil der Flugkapitän erfahren war und noch Schlimmeres verhindert hat.

Luxemburg. Drei Sekunden, länger hat das unüberlegte Manöver des Co-Piloten nicht gedauert. Drei Sekunden, die Flug LG 9562 mit 16 Passagieren und vier Crew-Mitgliedern der Luxemburger Fluggesellschaft Luxair an Bord am 30. September in Saarbrücken zur Bauchlandung brachten. Drei Sekunden, die nur dank des besonnenen Handelns des erfahrenen Flugkapitäns nicht zur Entscheidung über Leben und Tod der Reisenden geführt haben.
Was ist passiert?
Der Flug mit 20 Menschen an Bord der Propellermaschine Bombardier Q-400 war auf dem Weg von Hamburg in Saarbrücken planmäßig zwischengelandet und sollte weiter nach Luxemburg fliegen. Die Maschine beschleunigte, nahm an Fahrt auf und hob bei etwa 210 Stundenkilometern ab. Doch hatte der Co-Pilot den Sperrknopf des Schalthebels gelöst und die Triebwerkräder zu früh eingefahren. Plötzlich wurde der Startvorgang abgebrochen. Das Flugzeug kippte nach vorn und setzte mit bereits eingefahrenem Fahrwerk wieder auf der Piste auf. Die Maschine schlitterte mehrere Hundert Meter über die Fahrbahn, die Propeller wurden beschädigt, Rauchwolken entstanden aufgrund der Reibungshitze. Dank der schnellen Reaktion des Kabinenpersonals wurde die Maschine in kurzer Zeit evakuiert. Niemand kam zu Schaden.
Was ist die Ursache?
"Es war menschliches Versagen", stellt Adrien Ney, Luxair-Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender, gestern fest. Dies habe die interne Untersuchung der Fluggesellschaft klar festgestellt. "Der Kapitän hat sich sogar exemplarisch verhalten, so dass noch Schlimmeres wohl vermieden werden konnte." Heißt: Weil der 45-jährige Kapitän den Fehler seines Co-Piloten schnell bemerkte und aufgrund seiner Flugerfahrung von 10 000 Flugstunden seit 2007 auf starke Windböen reagierte und gegensteuerte, kam das Flugzeug wohl ohne menschlichen Schaden zum Stehen. "Er hat intuitiv richtig gehandelt, dies hätte ein Fluganfänger nicht getan. So etwas kann man auch nicht trainieren", sagte Flugkapitän Kremer. Auch wenn ein Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) erst in einigen Wochen erwartet wird, so ist sich Luxair sicher: Technische Mängel an der erst drei Jahre alten Bombardier oder Fehler in der Pilotenausbildung weist Martin Isler, beigeordneter Genraldirektor und zuständig für das Fluggeschäft, von sich. Sowohl die Analyse der Flugdaten als auch Tests am Fahrgestell der Propellermaschine auf Luftkissen in einem Hangar in Saarbrücken hätten dies ausgeschlossen. "Die Maschine war voll funktionsfähig", sagt er. Und Pascal Kremer, Sicherheitsmagager der Luxair ergänzt: "Es gibt im Cockpit eine strenge Arbeitsteilung. Das sind tägliche Routinehandlungen. Und dabei ist der Fehler passiert." Dieser ungewollte Fehler, im Fachjargon "Slip" genannt, sei passiert, weil die Sprachregeln zwischen Pilot und Co-Pilot nicht eingehalten worden seien. Spekulationen in Luxemburger Medien, wonach es sich bei dem Co-Piloten um eine Kollegin gehandelt haben soll, wird von offizieller Seite schließlich nicht bestätigt.
Wie geht es nun weiter?
Die betroffenen Passagiere haben eine Entschädigung für den Flugausfall und einen zusätzlichen "großzügigen Betrag" erhalten, "weil wir keine weiteren Diskussionen wollten", sagt Luxair-Chef Ney. Der Co-Pilot wird nicht mehr im Flugbetrieb der Luxair arbeiten, darf aber im Unternehmen bleiben. Der Rest der Crew wird nach psychologischer Betreuung bald wieder fliegen. Die BFU will ihren Bericht mit der Untersuchung von Stimmenrekorder und Flugschreiber in einigen Wochen darlegen. Für die Luxair ist die Ursache bereits klar und eindeutig. Deshalb sollen künftig neue und erweiterte Regeln im Cockpit gelten: Der Unfall soll als Übung ins Trainingsprogramm aufgenommen werden, die Flugdatenüberwachung soll neue Parameter bekommen, um abweichendes Verhalten zu vermeiden, zusätzlich soll es neue Sprachregeln zwischen Pilot und Co-Pilot geben, um ein zu frühes Lösen des Triebwerkes auszuschließen.
Ob die Propellermaschine repariert wird, ist noch unklar. "Der Rumpf ist aufgerissen, die Propeller und Tragflächen sind beschädigt, es gibt Schäden durch Metallspäne und Metallstaub in der Elektronik", sagt Martin Isler. Falls Luxair eine Reparatur wolle, werde dies ein halbes Jahr dauern und auch Folgen haben (siehe Extra): "Neben dem finanziellen Schaden, der noch nicht genau zu beziffern ist aber in die Millionen geht, haben wir zusätzliche Kosten. Und falls im Sommerfahrplan nur eine Kleinigkeit dazwischen kommt, sind Annullierungen und Verspätungen möglich", sagt er.Extra

Der Unfall Ende September in Saarbrücken hat für die Luxair nicht nur einen maschinellen Schaden in Millionenhöhe. Der Listenpreis der Bombarbier Q-400 beträgt umgerechnet rund 31 Millionen Euro. Der Ausfall der Maschine hat auch zu Einschränkungen von 89 Luxair-Flügen im Flugplan geführt. Bis zum Ende der Sommersaison wurden 28 Flüge annulliert, 53 auf andere Flugzeuge umgebucht und acht auf andere Fluggesellschaften umgeleitet. Insgesamt 1500 Passagiere waren davon betroffen. Und es könnte noch dicker kommen: Die Embraer-Maschinen, die Luxair ursprünglich zum Mai 2016 aus Altersgründen ausmustern wollte, müssen nun die gesamte Sommersaison durchfliegen. Rund 225 Flüge werden dann auf die fünf Embraer 145 umgelegt und 15 weitere auf die Boeing 737-700. Kosten für Umbuchungen und neue Flugreservierungen kommen noch hinzu. sas

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