Ein Kreuz und viele Fragen

TRIER. In Deutschland wird gewählt: In diesen Tagen flattern 100 000 Versicherten in der Region Unterlagen für die Sozialwahl 2005 ins Haus. Wie groß ist aber der Einfluss der Mitglieder gesetzlicher Kassen auf Entscheidungen der Sozialversicherung?

Es ist neben der Bundestags- und der Europawahl die größte Wahl im Land. 46 Millionen Deutsche - alle über 16-jährigen Mitglieder der Ersatzkassen Techniker Krankenkasse, DAK, Barmer und KKH sowie der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) - sind stimmberechtigt. Sie dürfen bis 1. Juni ehrenamtliche Vertreter für die Verwaltungsräte der Kassen wählen, pro Kasse werden 30 Mandate vergeben. Wahrgenommen wird die alle sechs Jahre stattfindende Sozialwahl aber kaum. Die Wahlbeteiligung ist noch niedriger als bei der Europawahl. Immerhin gingen am 13. Juni vergangenen Jahres 43 Prozent aller Bundesbürger zur Urne, um ein neues Europaparlament zu wählen. Bei der letzten Sozialwahl 1999 waren es gerade mal 40 Prozent. Und wenn in diesen Tagen die Wahlunterlagen an über 100 000 Versicherte in der Region, darunter 2600 "Erstwähler" verschickt werden, wird sich manch einer fragen, was denn "richtig, wichtig" an den Sozialwahlen 2005 ist, wie es der Slogan auf dem Briefumschlag verheißt. Doch kaum einer weiß, was überhaupt gewählt wird. Gewählt werden nämlich nicht Einzelpersonen, sondern Listen, oft gestützt von Gewerkschaften. 14 Listen stehen dieses Mal zur Wahl. "Der Einfluss der Versichertenparlamente wird häufig unterschätzt", wirbt Sigrid Hansen von der Techniker Krankenkasse (TK) in Trier. Immerhin dürften die 30 ehrenamtlichen Mitglieder-Vertreter im TK-Verwaltungsrat den Haushaltsplan, den Beitragssatz oder auch die Bezüge des Vorstandes mitbestimmen. Auch an den Vorstandswahlen sind sie beteiligt. Kaum Einfluss hat der Verwaltungsrat einer gesetzlichen Krankenkasse aber auf den Leistungskatalog. Der wird weitgehend von der Politik vorgegeben. Und die Mitglieder bilden nur eine Hälfte des Verwaltungsrates. Die andere wird von den Arbeitgebern bestimmt. Bei der BfA ist der Einfluss der Vertreterversammlung und damit der Versicherten weitaus geringer. Fast alle wichtigen Gesichtspunkte der Rente wie etwa der Beitragssatz werden von der Bundesregierung bestimmt. Um die Wahlbeteiligung anzukurbeln, lassen sich die Kassen einiges einfallen. Nicht nur, dass sie in ihren Mitgliederzeitschriften seit Wochen die Werbetrommel rühren, auch sollen die Versicherten durch kleine Geschenke zur Stimmabgabe gelockt werden. So verschenkt die TK am 4. Mai jedem, der den roten Umschlag mit der angekreuzten Liste in der Geschäftsstelle abgibt, eine rote Rose. Hinter den 46 Millionen Wahlberechtigten steht jedoch nur ein geringer Teil der Versicherten. Denn neben den vier Kassen und der BfA finden nur bei acht von knapp 350 Sozialversicherungsträgern Wahlen statt. Zwar gibt es auch bei anderen Kassen wie etwa der AOK oder der Landesversicherungsanstalt Sozialwahlen. Doch tatsächlich gewählt wird dort nicht. Die Vertreter für den Verwaltungsrat werden per so genannter "Friedenswahl" bestimmt. "Friedenswahl" bedeutet dabei nichts anderes, als dass mehr Plätze als Bewerber da sind und die Sitze ohne Wahl zugeteilt werden. Daher verschicken diese Sozialversicherungen erst gar keine Stimmzettel. Kritiker sehen dadurch allerdings die Rechtmäßigkeit der Sozialwahl in Frage gestellt.Für die Mehrheit der Bürger "wichtig"

Denn meistens sieht der Verwaltungsrat dieser Sozialversicherungen nach der "Wahl" genauso aus wie vorher. Das erinnere irgendwie an Wahlen in der DDR, meint ein Sozialexperte. Bei der Wahl, die laut einer aktuellen Umfragen 28 Prozent der Bundesbürger für "sehr wichtig" und 57 Prozent für "wichtig" halten, gilt übrigens wie bei der Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Klausel. Nur wenn eine Liste diese Hürde genommen hat, ist sie und sind ihre Spitzen-Kandidaten gewählt. Die Sozialwahl ist eine reine Briefwahl. Das heißt, jeder Versicherte bekommt die Unterlagen nach Hause und füllt sie dort aus. "Man kreuzt einfach die Liste seiner Wahl an, steckt den Stimmzettel in den roten Briefumschlag und wirft ihn portofrei in den Briefkasten", erklärt TK-Sprecherin Hansen. Die Stimmzettel müssen bis zum 1. Juni im Briefkasten sein. Infos: www.sozialwahl.de

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