Einfach zu gut

TRIER. Immer mehr Familien engagieren für pflegebedürftige Angehörige Osteuropäerinnen - unter anderem, weil ihnen die Angebote professioneller Pflegedienste zu teuer sind. Die setzen sich nun Wehr: Sie würden gerne billiger arbeiten, argumentieren sie, doch teilweise unsinnige Auflagen hinderten sie daran.

Was haben Straßenverkehr und Pflegewesen gemeinsam? Das erklärt Sabine Kaufmann vom Trierer Club aktiv, wenn sie deutlich machen will, wo es ihrer Ansicht nach in der Pflegebranche hakt: "Passiert irgendwo ein Unfall, wird ein Schild aufgestellt. Nach einiger Zeit hat man dann einen dichten Schilderwald, der niemandem mehr hilft. Genau das geschieht bei uns: Läuft etwas schief, gibt‘s eine neue Vorschrift. Das hat im Gesundheitswesen dazu beigetragen, dass es kaum noch bezahlbar ist." Dabei seien viele Auflagen, die die Hilfsdienste des Clubs Aktiv erfüllen müssten, schlicht Unfug.Sozialstationen drohen Kürzungen

Beispiele? "Tausende!", sagt Sabine Kaufmann. "Zum Beispiel dürfen pflegende Angehörige Patienten Insulin spritzen. Übernimmt unser Pflegedienst diese Aufgabe, müssen wir Kräfte einsetzen, die mindestens eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegehelferin haben." Verordne der Arzt ein Medikament, dürften das bei den Pflegediensten nur voll ausgebildete Krankenschwestern oder Altenpflegerinnen verabreichen. "Hinzu kommt ein immenser Dokumentationsaufwand. Wir müssen Evaluationsberichte für jeden Patienten schreiben, in denen genau aufgeführt ist, was er kann und was nicht, wo wir ihn unterstützen und wie wir ihn fördern. Und das Ganze muss regelmäßig erneuert werden." Kaufmanns Fazit: "Die Qualitätsstandards sind einfach zu hoch - und einige vollkommen überflüssig!" Ähnlich sieht das Winfried Wülferath, Geschäftsführer des Caritas-Verbands für die Region Westeifel: "Die Bestimmungen mögen teilweise sinnvoll sein - aber sie sind überzogen." Hinzu kämen Belastungen durch Beiträge für die Berufsgenossenschaft, die Ausbildungs- und Schwerbehinderten-Abgabe. "Wie sollten wir bei den Pflegediensten Schwerbehinderte einsetzen", fragt Wülferath und fordert: "Man sollte genau hingucken, ob die Grenzen richtig gezogen sind." Sabine Kaufmann geht noch weiter: "Warum erlaubt man uns nicht den Einsatz von Laienhelfern, die wir selbst schulen könnten, und überlässt uns, wo wir die einsetzen und wo Fachpersonal?" Dass das Ergebnis stimme, sei schließlich ureigenstes Interesse jedes Pflegedienstes. Solche Liberalisierungen könnten die Kosten deutlich senken, sagt Kaufmann. "Und dann wären unsere Angebote auch wieder für viele ein Thema, die jetzt sagen: Das ist nicht bezahlbar!" Neben den bereits bestehenden Problemen aller Pflegedienste - hohe Kosten, die dazu führen, dass immer mehr Familien auf Osteuropäerinnen zurückgreifen statt auf professionelle Angebote - droht speziell den Sozialstationen weiteres Ungemach: "Die Bezuschussung steht auf der Kippe", berichtet Wülferath. Damit ginge eine Forderung vieler privater Pflegedienste in Erfüllung, die in den staatlichen Geldern für die Sozialstationen einen Wettbewerbsnachteil für sich sehen. Wülferath hält das für übertrieben: Die Caritas müsse ihre Mitarbeiter schließlich in Anlehnung an die Tarife des öffentlichen Dienstes entlohnen und biete Zusatzangebote wie Gesprächskreise und Selbsthilfegruppen an. Wie es weiter geht, wenn die Zuschüsse gestrichen werden, ist laut Wülferath unklar: "Wir wissen auch noch nicht genau, wie wir das bewältigen sollen."

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