Einheit mit Unterschieden

BERLIN. Wie leben die Deutschen? Was verdienen sie? Welche Probleme plagen sie? Auf solche Fragen gibt das "Statistische Jahrbuch" schon seit mehr als fünf Jahrzehnten verlässliche Antworten.

"Wir setzen Zahlen in Beziehung und helfen, Informationen einzuordnen", meinte der Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes, Walter Radermacher, bei der Vorstellung des neuesten Standardwerks gestern in Berlin. Demnach stellt die Republik mit ihren 82,5 Millionen Einwohnern immerhin ein knappes Fünftel der EU-Bevölkerung. Dahinter steckt allerdings nach wie vor eine unterschiedliche regionale Entwicklung. Während sich die neuen Bundesländer und Berlin weiter entvölkern (minus 0,6 beziehungsweise minus 0,1 Prozent), ging die Einwohnerzahl im früheren Bundesgebiet mit 0,1 Prozent leicht nach oben. Dass die Gesamtzahl gegenüber dem Vorjahr konstant blieb, hat vornehmlich mit einem positiven Wanderungssaldo zu tun. Denn im EU-Maßstab verfügt Deutschland neben Slowenien mit 8,7 Lebendgeburten pro 1000 Einwohner über die geringste Geburtenrate in Europa. Immer weniger Menschen leben dann auch hier zu Lande mit Kindern zusammen. Vor einem Jahr gab es 9,1 Millionen Ehepaare, Lebensgemeinschaften und Alleinerziehende mit Minderjährigen. 1996 waren es noch 3,7 Prozent mehr. Immerhin 42 Prozent der privaten Haushalte leben mittlerweile im eigenen Haus oder in einer Eigentumswohnung (1998: 40,5 Prozent). Dabei hat der Osten seit der Wende kräftig aufgeholt. Jeder dritte Einwohner verfügt hier inzwischen über eigene vier Wände. Im Westen sind es 44,1 Prozent. Die meisten Eigentümerhaushalte gibt es übrigens im Saarland (55,9 Prozent), die wenigsten in Berlin (12,5 Prozent). Aufschlussreich sind auch die differenzierten Einkommensverhältnisse der Deutschen. Der durchschnittliche Einkommensunterschied zwischen Ost und West beträgt etwa 650 Euro. Diese Differenz gab es schon im Jahr 1998. Die Statistiker registrieren allerdings auch ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Während sich zum Beispiel in Bremen das monatliche Haushaltsnettoeinkommen auf 2470 Euro beläuft, sind es in Baden-Württemberg 3144 Euro. Auch beim Sparen sind die Unterschiede beträchtlich. Im Durchschnitt spart jeder deutsche Haushalt monatlich 322 Euro, knapp zwei Prozent mehr als noch vor fünf Jahren. Westdeutsche Haushalte legen jedoch 347 Euro pro Monat auf die hohe Kante (plus fünf Prozent), während ostdeutsche Haushalte nur auf 214 Euro kommen. Das sind sechs Prozent weniger als 1998.Ost-West-Gefälle bei der Sparquote

Bei der Sparquote, also dem Anteil der Ersparnis am ausgabefähigen Einkommen, ist die Lage ähnlich. Während man in Süddeutschland 13 bis 15 Prozent zurücklegt, kommen Sachsen auf acht Prozent und Mecklenburg-Vorpommern nur auf 4,3 Prozent. Auf der anderen Seite sind immer mehr Menschen auf staatliche Transfers angewiesen. Ende 2003 bezogen 2,81 Millionen Personen Sozialhilfe, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei unterscheidet sich die Sozialhilfequote in Ost (3,1 Prozent) und West (3,2 Prozent) nur noch unwesentlich. Unter den Flächenländern verzeichnen Schleswig-Holstein und das Saarland (jeweils 4,1 Prozent) den höchsten Anteil von Hilfeempfängern. Die niedrigsten Quoten werden in Bayern (1,8), Baden-Württemberg (2,1) und Thüringen (2,3) gemessen. Gravierende Unterschiede registriert die Statistik vor allem zwischen den Städten. So ist etwa in Schwerin jeder fünfte Einwohner auf staatliche Alimentierung angewiesen. In Augsburg ist es nur jeder 20. Als Hauptursache gilt die unterschiedlich ausgeprägte Arbeitslosigkeit. Ausgewählte Metropolen wie Berlin wurden von den Statistikern deshalb sogar nach einzelnen Stadtbezirken aufgeschlüsselt. Danach verzeichnet zum Beispiel Friedrichshain-Kreuzberg eine Erwerbslosigkeit von bis zu 30,6 Prozent, während Reinickendorf nur mit 7,3 Prozent zu Buche schlägt. In München schwanken die Werte dagegen lediglich zwischen drei und fünf Prozent.

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