"Es herrscht Konfusion"

BERLIN. Seit das Bundestagsverfassungsgericht am 26. Januar das Verbot für allgemeine Studiengebühren aufgehoben hat, tobt in Deutschland eine Diskussion darüber, wie die Studenten zur Kasse gebeten werden können.

Politiker in Bund und Ländern streiten über die Folgen des Richterspruchs, auf dem Tisch liegen bisher aber nur Überlegungen und Zahlenspiele. Und eines ist ebenso deutlich: Der Protest der Studenten gegen das Bezahlstudium, in Aufrufen als "heißer Winter" angekündigt, fällt bisher in Städten wie Leipzig, Berlin, Hamburg oder Essen eher lau aus. In diese Lücke stoßen jetzt die deutschen Arbeitgeber, die gestern in Berlin ein Modell zur Reform der Studienfinanzierung vorlegten - und dafür prompt eine Abfuhr erteilt bekamen."Politik schlecht vorbereitet"

"Erstaunlich schlecht", kommentierte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt (BDA), sei die Politik auf das Urteil aus Karlsruhe vorbereitet gewesen. Da ist etwas dran, denn die Entscheidung der roten Roben war so vorher schon lange erwartet worden. "Es herrscht Konfusion, sowohl bei der Ausgestaltung der Studienbeiträge als auch bei der sozialen Absicherung", benannte Hundt die Folgen. Allerdings bleibt auch das BDA-Konzept einige Antworten schuldig. Die Idee der Wirtschaft sieht zur sozialen Absicherung von Studiengebühren ein vom Staat finanziertes Budget in Höhe von 15 000 Euro vor. Kindergeld, Bafög und Ausbildungsfreibetrag fallen weg, wodurch das Budget für die öffentlichen Kassen kostenneutral sein wird. Zurückzahlen sollen die Studenten dieses Geld nicht, so Hundt. Es wird aber noch ergänzt durch Darlehen bis zu 35 600 Euro, die zu niedrigen Zinsen angeboten werden sollen, etwa von der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder Geschäftsbanken. Die KfW hatte bereits erklärt, dass sie Studenten Kredite von bis zu 650 Euro pro Monat anbieten werde. Durch beide Instrumente können laut Hundt leistungsabhängige Gebühren von maximal 1250 Euro pro Semester bei Bachelor- und 1500 Euro bei Master-Studiengängen sozial abgesichert werden. Wenn ein Student zum Budget ein Darlehen von 15 000 Euro aufnehme, habe er monatlich mit rund 834 Euro mehr Geld als beim heutigen Bafög-Höchstsatz plus Kindergeld. Den dreijährigen "Bachelor" will der Verband dabei zum Regelstudium machen, um das Studium deutlich zu verkürzen und zu verbilligen. "Hochschulfinanzierung auf Kosten von Familien und bedürftigen Studenten", schimpfte gestern barsch der bildungspolitische Sprecher der SPD, Jörg Tauss. Ohnehin müssen sich die Befürworter von Studiengebühren wie der BDA oder die unionsgeführten Länder in den nächsten Monaten noch mit einigen Problemen beschäftigen: Beispielsweise, wie die Sicherheiten für Kredite aussehen sollen und die Rückzahlung der Darlehen garantiert werden kann. Oder wer den immensen Verwaltungsaufwand für das spätere Eintreiben des Geldes bezahlen soll. Darüber hinaus bleibt die Frage eines Stipendiensystems, das viele Experten für erforderlich halten. Hier hält es Hundt lieber mit Absichtserklärungen: Eine Qualitätsoffensive an den Universitäten werde auch zu mehr Kooperationen der Wirtschaft mit Hochschulen und Stipendien führen, versprach Hundt lau. Und noch ein Problem tut sich auf, speziell mit Blick auf den BDA-Vorschlag: Der von den Arbeitgebern so favorisierte Bachelor-Studiengang wird von der Wirtschaft vielfach kritisch beäugt. Das weiß auch Hundt: "Die volle Anerkennung ist teilweise noch problematisch", sagt der Arbeitgeberpräsident. Genauso, wie die Einführung von Studiengebühren selbst.

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