Euro-Schatten über Europa

BERLIN. Bundesfinanzminister Hans Eichel und Bundesbankpräsident Axel Weber dementierten gestern einen Bericht, wonach beide den Euro als Flop ansehen und ihn verantwortlich machen für die anhaltende Wachstumsschwäche. Der deutsche Euro-Kritiker Wilhelm Hankel meint, die europäische Währungsunion sei tatsächlich gescheitert.

Herr Hankel, in Berlin ist eine Debatte um das mögliche Scheitern der Währungsunion entbrannt. Verspüren Sie Genugtuung? Hankel: Das ist das falsche Wort. Ich sage: Hätte man doch auf die Warnungen der Fachleute gehört. Den Schaden durch die Einführung des Euro haben jetzt alle Bürger in Europa - und ganz speziell die Deutschen. Warum gerade wir?Hankel: Der Euro hat zu einer regelrechten Verlagerung von Investitionen und Arbeitsplätzen aus Deutschland in kostengünstigere EU-Länder geführt. Denn mit der Preisgabe der D-Mark ging der jahrzehntelange Zinsvorteil der deutschen Volkswirtschaft verloren, und das hat zu einer dramatischen Verschiebung der Wettbewerbsbedingungen am Kapitalmarkt geführt. Deutschland bekommt dies immer massiver zu spüren. Uns werden deshalb neue Unsicherheiten am Arbeitsmarkt und in der Konjunktur bevorstehen. Ist also der Euro Grund für die Wachstumsschwäche?Hankel: Jeder Euro, der uns verlässt, ist eine Geldausgabe, ein Konsumwunsch, eine Investition weniger. Man hat etwas gemacht, was einem Schneider völlig einleuchtend ist - er kann keinen Anzug fertigen für Dicke und Dünne, für Lange und Kurze. Dasselbe gilt auch für die Geldpolitik in Europa. Der Geldanzug für Deutschland kann nun mal nicht derselbe sein wie für die Nachhol-Länder Griechenland, Portugal oder demnächst Polen. Europa ist strukturell und konjunkturell eben völlig unterschiedlich. Wenn aber in einer Vielzahl von europäischen Ländern mit ganz und gar anderen Lohn-, Steuer- und Sozialkosten Euro gleich Euro ist, sind die Billigländer ein wesentlicher Grund dafür, dass wir Arbeitsplätze verlieren. Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen der neuen Währung und der seit Jahren lahmenden Binnenkonjunktur? Hankel: Mit Sicherheit ist der Euro ein ganz wichtiger Faktor. Die Unsicherheit einer Währung, die monetäre Unruhe überträgt sich automatisch auch auf das Gemüt, das Verhalten und die wirtschaftlichen Aktivitäten von Menschen. Hinzu kommt, dass die Teuerung durch die Einführung des neuen Geldes anders als behauptet stattgefunden hat. Wir haben ganz klar Zentren der Euro-Preissteigerung - im Bereich der Dienstleistung, der Touristik und der Gastronomie. Ist die Währungsunion somit gescheitert?Hankel: Sie wird scheitern. Das kann man nur noch verhindern, in dem man vom Euro wieder abgeht oder aber eine Reform der Europäischen Zentralbank einleitet. Die Fragen stellte unser Korrespondent Hagen Strauß

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