Fahrschüler leben gefährlich

TRIER. Der Versicherungsschutz für Fahrschüler ist mehr als lückenhaft. Deshalb empfiehlt der Fahrlehrerverband seinen Mitgliedern dringend, eine spezielle Fahrschülerversicherung abzuschließen. Doch nur etwa 30 Prozent der Fahrschulen bieten ihren Klienten diesen Service - Schuld daran ist der harte Preiskampf, der auf dem Markt herrscht.

Die Fahrbahn ist regennass. Es ist die fünfte Fahrstunde des jungen Motorradfahrers. Plötzlich springt die Kette vom Ritzel. Das Hinterrad des Fahrschul-Motorrads blockiert, die Maschine rutscht weg. Der junge Mann schleudert gegen einen Laternenpfahl. Querschnittslähmung. Hat der Fahrschüler Anspruch auf Entschädigung? 98 Prozent anworteten bei einer Befragung im Auftrag des Fahrlehrerverbandes Rheinland e.V. mit einem klaren "Ja" - und irrten. Denn nur für die wenigsten Unfälle, die während Motorrad-Fahrstunden passieren, kommt die Haftpflichtversicherung des Fahrlehrers beziehungsweise der Fahrschule auf. So hat der Fahrschüler zum Beispiel bei einem Sturz nach einem Bremsmanöver auf regennasser Fahrbahn keinen Versicherungsschutz durch die Ausbildungsstätte. Hat er keine private Unfallversicherung abgeschlossen, steht er ohne einen Cent Schadensersatz für kaputte Kleidung, Schmerzensgeld und auch ohne Invaliditäts-Ausgleich da. "Die Haftpflichtversicherung greift nur, wenn ein schuldhaftes Verhalten des Fahrlehrers vorliegt", sagt der Trierer Heinrich A. Haas, erster Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Rheinland e.V. Aber auch bei Unfällen, bei denen die Schuld definitiv nicht beim Fahrschüler liegt - etwa bei einer plötzlichen Motorblockade oder wenn die Motorradkette abspringt - ist niemand haftbar zu machen. "An diesen Fällen hat niemand Schuld, deshalb kann die Haftpflichtversicherung der Fahrschule nicht in Regress genommen werden", sagt Haas. Das gilt übrigens auch für Auto-Fahrstunden: Bauen Auto-Fahrschüler einen Unfall, sind sie zwar per Haftpflichtversicherung geschützt. Platzt jedoch beispielsweise ein Reifen und das Fahrschulauto überschlägt sich besteht ebenfalls kein Versicherungs-Schutz. Niedrige Preise, wenig Schutz

"Nur wenn der Fahrlehrer grob gegen die Ausbildungsrichtlinien verstößt - etwa, wenn es in der ersten Motorradstunde gleich auf die Bundesstraße geht - verletzt der Fahrlehrer schuldhaft seine Sorgfaltspflicht und ist haftbar", sagt Haas, der in Trier das Ausbildungszentrum für für LKW- und Busfahrer betreibt. "Die Beweispflicht der Schuld liegt generell beim Anspruchsteller", erklärt Gerd Grund, Leiter der Abteilung Kundenbetreuung bei der Fahrlehrerversicherung des Berufsverbandes. "Der Fahrschüler muss beweisen, dass der Fahrlehrer seine Pflicht verletzt hat." Auch der Zusammenhang zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Schaden sei für den Fahrschüler meist sehr schwierig aufzuzeigen. "Viele Fahrschüler wissen gar nicht, welchem Risiko sie sich aussetzen", sagt Fahrlehrer Haas. Denn die meisten Fahrlehrer weisen darauf bei Vertragsabschluss nicht hin. "Zum Schutz der Fahrschüler empfehlen wir den Fahrlehrern in unserem Verband dringendst, eine Zusatzversicherung bei der Verbands-Versicherung abzuschließen", sagt Haas. Die Zusatzversicherung kostet umgelegt auf eine durchschnittliche Schülerzahl rund sechs Euro pro Führerschein und springt ein mit Krankengeld, Genesungsgeld, Schmerzensgeld und Invaliditäts-Ausgleich. "Leider schließen die wenigsten Fahrschulen eine solche Police ab, meist aus Kostengründen", bedauert Haas. Grund dafür sei der aggressive Preiskampf auf dem Markt: "Die Fahrschulen unterbieten sich doch gegenseitig. Bei manchen kostet eine Autofahrstunde nur 17,95 Euro, zieht man zehn Euro Lohn, Umsatzsteuer und Soziallasten ab, bleibt ja nichts mehr übrig", erklärt Haas und wundert sich darüber, wie diese Fahrschulen die Dumping-Preise überleben. "Wer sich an die gesetzlichen Vorschriften hält und höhere Preise nimmt, ist da fast der Dumme."

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