Fehlende Willensstärke

TRIER. Können die USA Vorbild für deutsche Wirtschaftspolitik sein? Nein, sagt Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Warum nicht, erläutert er im TV -Interview. Die amerikanische Notenbank hat die Zinsen um 0,25 auf 1,25 Prozentpunkte gehoben. Ein notwendiger Schritt? Walter: Ja. Höchst notwendig, ohnehin schon zu spät, und der Schritt fällt zu klein aus. In den USA gibt es einen Wirtschaftsaufschwung mit einer Million neuer Arbeitsplätze. Sie nennen das übertriebene Stimulierung der Wirtschaft. Können die USA dennoch Vorbild sein? Walter: Nein, wir haben leider nicht den Ausgangspunkt, den Bill Clinton mit seinem Haushaltsüberschuss geschaffen hatte. Wir haben ein Haushalts-Defizit von vier Prozent. Die USA haben viele junge Menschen, so viele wie in der Generation zuvor. Die Amerikaner sind ein Volk, das Zuwanderung für sich nutzt - wir haben gerade mal ein Gesetz zustande gebracht. Geldpolitisch hätten wir den gleichen Spielraum. Aber da steht uns unsere Tradition im Weg. Die Unterschiede sind größer als die Ähnlichkeiten. Gibt es dennoch etwas, was wir von den Amerikanern lernen könnten? Walter: Sicher. Die Bereitschaft, Neues zu wagen, jemandem eine zweite Chance zu geben, die Fähigkeit, gut ausgebildete Frauen auch gut einzusetzen und sie nicht zu vergraben, die Bereitschaft, im Dienstleistungssektor Geld zu machen und für Europa geopolitische Verantwortung und darin Gestaltungsmöglichkeiten zu übernehmen. Die Bundesregierung hat das Jahr 2004 als Jahr der Innovationen ausgerufen. Inwieweit sehen Sie Fortschritte auf diesem Weg? Walter: Wir Europäer sind gar nicht schlecht im Ankündigen, wir sind aber nicht übermäßig gut im Liefern durchgreifender Reformen. Liegt es nur an dem Willen oder auch an der Fähigkeit? Walter: Wir mögen auch Fähigkeit haben, aber gravierender ist der Unterschied in der Willensstärke. Dem gleicht die politische Diskussion. Beispiel Steuersenkungen: ja, nein, aber. Sind die Reformkräfte in der Überzahl? Walter: Die Steuerreform durch die jetzige Regierung ist ein guter, mutiger und richtiger Schritt. Wir tun uns aber schwer damit, unsere Sozialversicherungsbeiträge auch einer solchen Kur zu unterziehen, und wir vermitteln den Bürgern nicht glaubwürdig, dass die Steuersenkung weitergehen muss, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen. Wenn man dies bei unserem hohen Staatsdefizit vorschlägt, dann sollte man ehrlich sagen, dass das nur über eine Reduzierung staatlicher Leistungen geht. Wir leiden unter der Unfähigkeit, einen zu groß gewordenen Staat auf das vernünftige Maß zurückzustutzen. Die Fragen stellte unsere Redakteurin Sabine Schw adorf.

Die amerikanische Notenbank hat die Zinsen um 0,25 auf 1,25 Prozentpunkte gehoben. Ein notwendiger Schritt?Walter: Ja. Höchst notwendig, ohnehin schon zu spät, und der Schritt fällt zu klein aus. In den USA gibt es einen Wirtschaftsaufschwung mit einer Million neuer Arbeitsplätze. Sie nennen das übertriebene Stimulierung der Wirtschaft. Können die USA dennoch Vorbild sein? Walter: Nein, wir haben leider nicht den Ausgangspunkt, den Bill Clinton mit seinem Haushaltsüberschuss geschaffen hatte. Wir haben ein Haushalts-Defizit von vier Prozent. Die USA haben viele junge Menschen, so viele wie in der Generation zuvor. Die Amerikaner sind ein Volk, das Zuwanderung für sich nutzt - wir haben gerade mal ein Gesetz zustande gebracht. Geldpolitisch hätten wir den gleichen Spielraum. Aber da steht uns unsere Tradition im Weg. Die Unterschiede sind größer als die Ähnlichkeiten. Gibt es dennoch etwas, was wir von den Amerikanern lernen könnten? Walter: Sicher. Die Bereitschaft, Neues zu wagen, jemandem eine zweite Chance zu geben, die Fähigkeit, gut ausgebildete Frauen auch gut einzusetzen und sie nicht zu vergraben, die Bereitschaft, im Dienstleistungssektor Geld zu machen und für Europa geopolitische Verantwortung und darin Gestaltungsmöglichkeiten zu übernehmen. Die Bundesregierung hat das Jahr 2004 als Jahr der Innovationen ausgerufen. Inwieweit sehen Sie Fortschritte auf diesem Weg? Walter: Wir Europäer sind gar nicht schlecht im Ankündigen, wir sind aber nicht übermäßig gut im Liefern durchgreifender Reformen. Liegt es nur an dem Willen oder auch an der Fähigkeit? Walter: Wir mögen auch Fähigkeit haben, aber gravierender ist der Unterschied in der Willensstärke. Dem gleicht die politische Diskussion. Beispiel Steuersenkungen: ja, nein, aber. Sind die Reformkräfte in der Überzahl? Walter: Die Steuerreform durch die jetzige Regierung ist ein guter, mutiger und richtiger Schritt. Wir tun uns aber schwer damit, unsere Sozialversicherungsbeiträge auch einer solchen Kur zu unterziehen, und wir vermitteln den Bürgern nicht glaubwürdig, dass die Steuersenkung weitergehen muss, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen. Wenn man dies bei unserem hohen Staatsdefizit vorschlägt, dann sollte man ehrlich sagen, dass das nur über eine Reduzierung staatlicher Leistungen geht. Wir leiden unter der Unfähigkeit, einen zu groß gewordenen Staat auf das vernünftige Maß zurückzustutzen. Die Fragen stellte unsere Redakteurin Sabine Schw adorf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort