Finanzieller Ruin

TRIER. Wer als älterer Arbeitsloser die so genannte "58er-Regelung" unterschrieben hat, hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen als laut Sozialgesetzbuch (SGB) für das Arbeitslosengeld II (Alg II) vereinbart wurde: rund 345 Euro im Monat. Das hat das Sozialgericht Trier entschieden und damit zwei Klagen eines Betroffenen abgewiesen.

Die Klagen waren die einzige Hoffnung von Dieter Wermes. Dass der 61-Jährige vors Trierer Sozialgericht gezogen ist, war für ihn nicht nur eine "Frage von Gerechtigkeit", sondern auch von existenzieller Notwendigkeit. Als älterer Arbeitsloser hatte er vor gut drei Jahren beim Arbeitsamt die so genannte "58er-Regelung" unterschrieben. Danach stand Älteren ohne Job, die 57 Jahre und älter sind, für 32 Monate Arbeitslosengeld zu, danach gab es Arbeitslosenhilfe. Dafür steht der Arbeitssuchende nicht mehr für eine Vermittlung bereit, muss sich nur einmal im Jahr bei der Arbeitsverwaltung melden. Eine Situation, die Wermes zuletzt rund 248 Euro pro Woche aus der Arbeitslosenhilfe zugesichert hatte. "Ich stand dem Ganzen sehr skeptisch gegenüber, weil ich die Regelung für sehr komfortabel hielt", sagt der Witwer. Auch habe er sich durch die Behörde zur Unterschrift gedrängt gefühlt. Dennoch habe er die Regelung in Anspruch genommen und seine Einwilligung gegeben. Seit diesem Jahr gilt nun Hartz IV, dessen Vorgaben Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt haben. Demnach ist Wermes - wie rund 164 000 Betroffene bundesweit auch - auf das niedrigere Arbeitslosengeld II von monatlich 345 Euro heruntergesetzt worden, plus Zuschüsse und Kostenerstattung (der TV berichtete). Die Folge: Der finanzielle Ruin für den 61-Jährigen und eine Kürzung seiner Bezüge um rund 48 Prozent, mit dem der ehemalige Vertriebsleiter eines großen europäischen Chemie-Konzerns nicht gerechnet hatte; und die seiner Meinung nach nie in Aussicht gestellt wurde. "Ich habe meine Lebensplanung anders ausgerichtet und für eine Dachsanierung an meinem Haus monatliche Kreditraten von rund 200 Euro vereinbart", sagt er. Alle Verpflichtungen abgezogen, müsse er seit Januar monatlich von weniger als 90 Euro leben - wobei er bereits Eigentum verpfändet habe. Dieter Wermes zog nun als einer der ersten Betroffenen bundesweit gegen die zuständige Arbeitsgemeinschaft (Arge) des Kreises Bernkastel-Wittlich vors Trierer Sozialgericht unter Vorsitz seines Präsidenten Johannes Rautert. Denn für den 61-Jährigen stellt die 58er-Regelung einen Vertrag dar, den er mit dem Arbeitsamt 2002 geschlossen hat. Eine Sichtweise, die der Sozialverband Deutschland so sieht und die er mit der Unterstützung von sieben Musterklagen vor deutschen Sozialgerichten durchzudrücken versucht.Ist die "58er-Regelung" ein Vertrag zweier Parteien?

Das Trierer Sozialgericht indes sieht das anders und wies die Klage des Eifelers gestern ab. Die 58er-Regelung sei laut SGB nur "eine einseitige Erklärung des Arbeitslosen und kein Vertrag mit der Arbeitsagentur", die eine gegenseitige Verpflichtung beinhalte, so Richter Rautert. Deshalb könne Dieter Wermes auch nicht die höheren Leistungen der einstigen Arbeitslosenhilfe in Anspruch nehmen. Außerdem wies das Gericht die zweite Klage von Wermes ab, wonach die Arge Bernkastel-Wittlich die Zahlung der Kredit-Tilgungsraten hätte übernehmen sollen. Auch dies sei mit geltendem Recht nicht vereinbar und gehe mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts konform. Lediglich Schuldzinsen würden übernommen. Ein Urteil, das Dieter Wermes in arge Bedrängnis bringt, zumal der weitere juristische Weg kostspielig werden dürfte. Schon bei seinen ersten Klagen hatte er sich gestern aus finanziellen Gründen selbst vertreten müssen.

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