Fünf Tage Arbeit, drei Tage frei

LAUTZENHAUSEN. Das Geschäftsmodell des irischen Billigfliegers Ryanair hat schon so manchem die Stirn in Falten gelegt. Dabei wird beim Blick hiner die Kulissen schnell klar: Einfache, klare Strukturen ohne Luxus und eine harte Preiskalkulation haben bislang für Erfolg gesorgt. Doch das Modell hat erste Risse bekommen.

Schon beim Blick in den Pilotenraum am Hunsrück-Flughafen Hahn wird deutlich: Wer zwischendurch mal eine Pause machen und die Füße hochlegen will, der ist hier falsch. An Stehpulten sind die wichtigsten Dinge auf Zetteln geschrieben und an schwarzen Brettern festgepinnt. Wer die neuesten Anweisungen wissen oder die Wetterlage kontrollieren will, schaut in den Computer. Sämtliche Kommunikation mit der Hauptstelle von Ryanair in Dublin läuft übers Internet.25 Minuten Pause zwischen zwei Flügen

Kein Wunder, die Piloten haben auch nur wenig Zeit. Die Ryanair-Strategie sieht vor, dass ein Flugzeug nur 25 Minuten am Boden bleiben darf - kürzer, als bei den meisten Fluggesellschaften, wo 40 Minuten die Regel sind. "Ein Flugzeug ist in zehn Minuten fertig aufgetankt. 15 Minuten Entspannung für uns - das reicht", sagt Ryanair-Chef-Pilot Ray Conway. 44 Piloten hat Ryanair auf dem Hahn stationiert, plus 90 Crew-Mitglieder. Rund 20 Teams sind also permanent vor Ort. "Fünf Tage Arbeit, drei Tage frei, fünf Tage Arbeit, drei Tage frei - das ist alles. Daran wird festgehalten", sagt Conway. Zudem nennt er ein durchschnittliches Ryanair-Gehalt von 50 582 Euro im Jahr bei 1780 Arbeitsstunden im Jahr - "mehr Geld und weniger Arbeit als bei Lufthansa oder British Airways", sagt er. Jede Minute zählt, wie jeder Passagier. Deshalb haben die neuen Boeing 737-800 auch eigene Ausgangstreppen im Flugzeug integriert. Dafür fehlen Sitztasche und Rollo. Auch im Cockpit herrscht Schlichtheit. Alles ist an seinem Ort - aber ohne großen Schnickschnack. Die Hauptinstrumente leuchten in weißer Farbe, sekundäre Knöpfe und Schalter in Grau. Auch innen wird gespart. Die Reinigung der Ledersitze braucht eben weniger Zeit. Die Putzkolonne kostet schließlich auch Geld.Acht Strecken pro Tag - mit zwei Teams

Und die Maschinen sollen in der Luft sein: Die neuen Boeings sparen bei mehr Passagieren sowohl Zeit als auch Benzin. 125 Maschinen davon hat das Unternehmen erst kürzlich bestellt. Acht Strecken fliegt jedes Flugzeug pro Tag, je vier Strecken mit einer Besatzung. Weiterer Standard: Zwischen 22.30 und 6.30 Uhr ruht der Betrieb, alle Maschinen kommen auf ihre Basis zurück, Ryanair legt nach eigenen Angaben Wert auf penible Kontrollen und zusätzliche Checks. Fünf Maschinen sind auf dem Hahn stationiert, eine bis zwei Maschinen weitere in Reserve. Einfach, klar, durchkalkuliert - darauf pocht man bei Ryanair. Piloten mit internationaler Erfahrung schätzen schnelle Entscheidungsprozesse. 280 Piloten hat Ryanair zusätzlich in den vergangenen 18 Monaten eingestellt. Doch wo ist die Grenze dieser Expansion? Gibt es nicht. Denn Wachstum heißt die Devise. 23 Millionen Passagiere will man 2004 befördern, 2003 waren es schon 16 Millionen. Doch da gibt es zwei Bremser. Zum einen die Konkurrenz anderer Aldi-Airlines - die Ryanair die Passagiere bei ebenfalls günstigen Preisen weglocken. "Irrational", nennt Presse-Chef Paul Fitzsimmons diese Strategie. Wobei die Iren genau das vorgemacht haben. Die Folge: Weniger Passagiere fliegen mit Ryanair, die Auslastung der Flugzeuge sinkt - zuletzt von 75 auf 70 Prozent. Doch just auf vollen Maschinen basiert ein Teil der Ertragskalkulation. Zweiter Hemmschuh: Die EU-Abmahnung im Fall des belgischen Regionalflughafens Charleroi. 15 Millionen Euro hat die Regionalregierung der Wallonie an öffentlichen Zuwendungen auf den Tisch gelegt, damit Ryanair in die Ardennen fliegt. Ryanair muss dafür bis zu vier Millionen Euro Strafe zahlen. Dabei sind genau die Flughäfen in der Pampa ein weiteres Strategie-Element. Für Fitzsimmons bedeutet das EU-Urteil eine "Benachteiligung der Regionalflughäfen und der Billig-Airlines". Es sei eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. "Warum sind Bedingungen bei Privatflughäfen nicht auch bei Flughäfen in öffentlicher Hand erlaubt", fragt er. Dass für Gesellschaften wie Ryanair gesonderte Bedingungen herrschen, scheint jedenfalls Usus zu sein. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrtunternehmen will jedenfalls die Preispolitik der deutschen Verkehrsflughäfen durchleuchtet wissen. Welche Regionalflughäfen welche Förderpolitik bemühen, und ob diese EU-rechtlich haltbar sind, ist nach der Charleroi-Entscheidung noch offen. Unklar ist auch die Lage am Hunsrück-Flughafen Hahn. Offiziell zahlt Ryanair dort eine Landegebühr von 4,63 Euro je Passagier. Dass auch dort etwas zum Hofieren des Boom-Faktors unternommen wurde, dementiert selbst Hahn-Geschäftsführer Andreas Helfer nicht. Aber: "Es gibt bislang keine offizielle Beschwerde. Und wenn es die gäbe, sehen wir dem gelassen entgegen. Es ist alles im grünen Bereich."

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