Für den Kanzler war es eng

Berlin . Der Bundestag hat die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten an Samstagen auf 20 Uhr beschlossen. Für den Gesetzentwurf der Bundesregierung votierten am Donnerstag 279 Abgeordnete, dagegen 224 Parlamentarier.

Rosig begann der gestrige Tag für Bundeskanzler Gerhard Schröder wahrlich nicht. Als sich morgens um 8.15 Uhr die SPD-Abgeordneten im Reichstag zu einer Sondersitzung versammelten, sah es tatsächlich so aus, als ob der Kanzler einen Tag vor seiner heutigen großen Reformrede schon beim kleinen Reförmchen des Ladenschlussgesetzes an den eigenen Leuten scheitern würde. Die Genossen wagten nämlich die Testabstimmung zum Gesetzentwurf der Regierung, der den Geschäften an Samstagen eine längere Öffnungszeit bis 20 Uhr ermöglicht. Und siehe da, rund 30 Abgeordnete stimmten dagegen. Keine Spur also von einer Fraktion, die dem Kanzler geschlossen bei noch schwierigeren Vorhaben den Rücken stärken will. Ziemlich rüde soll es in der Sitzung zugegangenen sein. Das ist nicht verwunderlich, denn die Regierungsmehrheit im Bundestag ist äußerst knapp. Auf die Stimmen der Opposition hätte sich Schröder überdies zur Not nicht verlassen können, CDU/CSU und FDP brachten jeweils einen eigenen und weitergehenden Antrag und Entwurf zur Abstimmung. Klar war also: Bei einem Scheitern der Verlängerung der Ladenschlusszeiten im Parlament, "hätte der Kanzler seine Reformrede gleich einmotten müssen", hieß es seitens der Sozialdemokraten. Abstimmung per Hammelsprung

Ein Argument, dass die Gegner der Änderung anscheinend überzeugt hat. Zähneknirschend stimmten sie daher gestern abend der Neuregelung - dem "Thema aller Themen" (SPD interner Spott) - im Bundestag zu. Es sei eben unmöglich, kommentierte einer aus der Front der Kritiker, einen Tag vor der Regierungserklärung "die Zerrissenheit in dieser Frage zu Schau zu stellen". Allerdings sei der Ladenschluss auch nicht so zentral wie der Kündigungsschutz - "da wird das anders laufen". "Eine Verlängerung der Ladenöffnungszeiten schafft nicht mehr Kaufkraft, sondern forciert den Konzentrationsprozess im Einzelhandel", meint die Parteilinke. Die Ausweitungen der Ladenöffnungszeiten treffe insbesondere die "vielfach im Einzelhandel beschäftigten Frauen". Geschlagen geben sich die Kritiker nicht. Gestern votierten sie zwar aus Fraktionsdisziplin mit, 36 (!) gaben aber eine gemeinsame Erklärung zu Protokoll mit ihren Gründen gegen eine Änderung der derzeitigen Regelungen - mit der Aufforderung an die Regierung, die "Entwicklung zu beobachten". Das Parlament musste übrigens wegen der unsicheren Mehrheitsverhältnisse per "Hammelsprung" votieren, bei dem die Abgeordneten den Plenarsaal durch die Türen "Ja", "Nein" und Enthaltung" wieder betreten müssen. Selbst die Spitzen von SPD und Grüne unterbrachen ihre Koalitionsrunde im Kanzleramt.

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