Gruppenfoto mit geqältem Lächeln

Berlin. Die Ministerin und der Mann, der ihrer Kommission den Namen gab, setzten am Donnerstag Feiertagsgesichter auf. Ulla Schmidt und Bert Rürup waren gleichermaßen zufrieden über die Arbeit der hochrangigen Experten-Runde mit ihren Vorschlägen zur nachhaltigen Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme.

Beim Gruppenfoto im Gesundheitsministerium strahlten die 26 Professoren, Manager, Politiker und Gewerkschafter in die Kameras, wobei so manches Lächeln jedoch angestrengt wirkte: Nicht alle waren glücklich mit dem "Rürup-Bericht", der auf 280 Seiten unangenehme Wahrheiten auflistet. Ungeachtet der Kritik, die bereits zuvor auf die Kommission geprasselt war, lobte die Ministerin die "vielen richtigen Vorschläge", die jetzt natürlich "sorgfältig geprüft" würden, wobei alles was "notwendig und vernünftig" sei, auch umgesetzt würde. Auf deutsch: Dankeschön, wir schauen mal. Ulla Schmidt weiß nur zu gut, wo die Fallstricke liegen, und wie die Meinungsbildung in Koalition und Opposition zu bewerten ist. Deshalb sprach auch aus der ersten Reaktion des Bundeskanzlers eher gedämpfte Begeisterung über ein Werk, das nach neun schwierigen Monaten in gedruckter Form das Licht der Welt erblickt hat. Die meisten Details waren schon zuvor durchgesickert - nicht immer zur Pläsier des Kanzlers, der gestern vor "Schnellschüssen" warnte und wie Schmidt erst mal alles "gründlich auswerten" möchte. Rürup nannte seine Kommission "kreativ, bisweilen durchaus auch explosiv". Eine nette Umschreibung der Tatsache, dass oftmals Zoff herrschte in dem Gremium, in dem sich so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Unternehmensberater Roland Berger, DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer, Wohlfahrtsverbands-Vorsitzende Barbara Stolterfoth und die Professoren Karl Lauterbach und Bernd Raffelhüschen tummelten. Insbesondere Lauterbach, enger Berater der Ministerin, und Engelen-Kefer fetzten sich dem Vernehmen nach bis an die Grenze der Höflichkeit mit dem Vorsitzenden Rürup, der als ebenso eigensinniger wie eitler Vertreter seiner Zunft gilt.Drei Gegenmittel für das Rentendilemma

So nimmt es nicht Wunder, dass sich die Kommission in einem wesentlichen Punkt nicht einigen konnte. Zur nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wurden deshalb zwei konkurrierende Modelle vorgeschlagen: Die Bürgerversicherung (Modell Lauterbach), in die alle Bürger mit all ihren Einkünften einzahlen müssten; und die "Kopfpauschale" (Modell Rürup), die jeden Bürger im Beitrag gleich behandelt, ungeachtet seiner Leistungsfähigkeit. Beide Modelle sind umstritten, was die Vermutung nahe legt, dass darüber in absehbarer Zukunft nicht entschieden wird. Die wichtigsten Empfehlungen betreffen die Rentenversicherung. Um den Anstieg des Beitragssatzes (derzeit 19,5 Prozent) zu dämpfen und trotz steigender Lebenserwartung im Jahr 2030 bei höchstens 22 Prozent zu halten, werden drei Gegenmittel vorgeschlagen: Ausbau der privaten und betrieblichen Vorsorge (Riester-Rente), Einbau eines "Nachhaltigkeitsfaktors" (Renten steigen langsamer, wenn immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner versorgen müssen), Abbau der Frühverrentung durch Anhebung der Altersgrenze von 65 auf 67 Jahre. Allerdings soll diese Maßnahme behutsam und schrittweise erfolgen und erst ab dem Jahr 2011 (bis 2034) einsetzen. Tenor der Parteien: sehr distanziert. Auch der Kanzler will erstmal den Unterschied zwischen dem tatsächlichen Rentenalter von 60 und dem gesetzlichen von 65 verringern. "Dann sehen wir weiter", sagte Gerhard Schröder bei RTL. Gleich ein ganzes Bündel von Maßnahmen ist offenbar notwendig, um den Beitragssatz zur Pflegeversicherung (1,7 Prozent) stabil zu halten. Insgesamt soll eine gleichmäßige Lastenverteilung auf alle Generationen erreicht werden, ein Ziel, das im Mittelpunkt der Bemühungen steht. In diesem Sinne ist auch Schröders Appell an die Älteren zu verstehen, dass die Belastungen zur Finanzierung der Rentenversicherung "von allen getragen werden" müssen und "nicht nur von den Jüngeren".

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