Hehre Grundsätze, traurige Wahrheiten
TRIER. Die Mindestanforderungen für Bauwerke sind in der Bundesbauordnung festgehalten und unmissverständlich definiert. Davon ist die Wirklichkeit noch ein gutes Stück entfernt.
"Bauliche Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und gebrauchstauglich sein, dass durch Wasser, Feuchtigkeit, pflanzliche und tierische Schädlinge sowie andere chemische, physikalische oder biologische Einflüsse Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen." Soweit die Bundesbauordnung. Die Realität sieht nicht selten anders aus. Eine Familie kauft ein Haus mit Holzvertäfelung an den Innenwänden. Nach dem Einzug öffnet der Besitzer die Verkleidung und entdeckt flächendeckend Schimmel. Die Vertäfelung war nicht fachgerecht angebracht. Jetzt ist es zu spät. Verkaufen lässt sich das Haus nicht mehr, und die Familie hat die missliche Wahl zwischen dem finanziellen und dem gesundheitlichen Ruin.Bausubstanz nicht auf aktuellem Stand
Das ist ein Extrem aus der Beratungsarbeit von Ulrike Müller-Frey im Trierer Institut für Baubiologie, aber nicht der einzige schwierige Fall. Hilfesuchende klagen über Gesundheitsbeschwerden, Müdigkeit, Erschöpfung, Infektionen. In fast allen Fällen wurden Wohngifte als Ursache ausgemacht - an erster Stelle Schimmel. Probleme mit Baufehlern, falschem Wohnverhalten und in deren Folge mit Schimmel und Feuchteschäden gibt es bundesweit. "Die Bauqualität ist nicht zufrieden stellend", zitiert der Abschlussbericht "Dialog Bauqualität" der Bundesregierung das Ergebnis eines Workshops. Die Expertenmeinungen zu diesem Thema gehen zwar von unterschiedlich Positionen aus, zielen aber auf denselben Punkt. Das Bundesumweltamt erklärt beispielsweise: "Grundvoraussetzung für eine Wohnung ohne Schimmelpilzwachstum ist eine Errichtung des Gebäudes nach dem Stand der Technik." Für Jörg Haverkamp vom der Trierer Haus-, Verwaltungs- und Sanierungs-GmbH (HVS) sind mangelnde Qualifikation der Handwerker, fehlende Zusammenarbeit mit Bauherrn und Architekten und ausbleibende Detailzeichnungen der Architekten Ursachen für das Problem. Theo Bohr vom Umweltzentrum der Trierer Handwerkskammer sieht die Schwierigkeiten nicht zuletzt in Schwarzarbeit und Eigenbau, freilich auch in veraltetem Lüftungsverhalten der Bewohner. Er fordert ein grundlegendes Gesamtkonzept vor Baubeginn. Die Fraunhofer-Gesellschaft in München erklärt, Ursache des zunehmenden Schimmelpilzbefalls sei erhöhte Luft- und/oder Materialfeuchte und rechnet vor, dass in jedem Haushalt pro Monat bis zu 600 Liter Wasser verdunsten. Die müssten an die Außenluft abgegeben werden - sei es durch Lüftung oder durch atmende Baustoffe. Geschieht das nicht, ist der Schimmel nicht mehr fern. Das Heimtückische: Schimmel kann auch dann gesundheitsgefährlich werden, wenn er nicht sichtbar ist. Darum rät die Fraunhofer-Gesellschaft, bei Schimmelverdacht (zum Beispiel muffiger Luft) unbedingt einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Der kann feststellen, ob der Pilzbefall durch falsches Nutzerverhalten, Fehler in der Bausubstanz oder eine Kombination aus beidem verursacht worden ist. Lüften ist zwar notwendig, aber kein Allheilmittel. Und von Anti-Schimmel-Sprays raten alle Experten dringend ab. Pilze reagieren auf Bedrohungen mit steigender Vermehrung. Dann nimmt die Zahl der gesundheitsgefährlichen Sporen noch zu. Entscheidend bleibt jedoch nach einhelliger Experten-Meinung, dass sich die Kommunikation am Bau verbessern muss. Darum hat die HVS gemeinsam mit dem Architekten Joachim Fischer vom Trierer Büro 9 plus auf der Landesgartenschau ein Musterhaus gebaut. Perfekt ist diese Anlage allerdings auch nicht. Zum Beispiel ließen sich die Vorstellungen der Architekten zur Energieversorgung nicht gegen die Bauherrn durchsetzen. Auch Axel Leroy vom Bau-Medienzentrum in Düren machte mit der Realisierung seiner Ideen eigene Erfahrungen. In Düren hat der Bauberater eine "Baufehler-Ausstellung" eröffnet, sieben halbe Häuser mit Einblicken in Probleme aller Art. Zwanzig Baufehler hatte er geplant. Am Ende waren daraus ohne jede Absicht ansehnliche 178 geworden. Infos im Internet (Auswahl): www.hvs-trier.de; www.vpb.de; www.trier.de/Lebensqualitä;t