Herausfinden, wie China tickt

TRIER/PEKING. Die Wirtschaftsentwicklung in China hat erhebliche Auswirkungen auf die Zukunftsperspektiven der Deutschen. Diese These vertritt der China-Experte Frank Sieren in seinem Buch "Der China-Code". Sieren, der seit 1994 in Peking lebt, hat in Trier studiert und als Journalist hier seine ersten Erfahrungen gesammelt.

Wie man von Trier nach China kommt? Man müsse vor allem in Koblenz den richtigen Zug nach Frankfurt erwischen, sagt Frank Sieren. Er muss es wissen, hat er doch den langen Weg vom Sinologie-Studenten an der Uni Trier über den Journalismus-Einstieg bei Radio RPR zu "einem der führenden deutschen China-Experten" (London Times) zurück gelegt. Dass er 1994 nach Peking ging, lag an seiner Freundin, die in China ihr berufliches Glück suchte. Dass er mehr als zehn Jahre blieb, hing damit zusammen, dass auch er an der neuen Wirkungsstätte bemerkenswerte berufliche Erfolge verzeichnete. Erst bei der Süddeutschen Zeitung und dann als Korrespondent der Wirtschaftswoche, der seit Jahren mit seinen regelmäßigen Bestandsaufnahmen aus Peking das China-Bild vieler Multiplikatoren in Deutschland prägt. Nun hat er ein Buch geschrieben. "Der China Code" versucht zu erklären, wie das Riesenreich tickt. Sorgfältig analysierend, historisch fundiert und mit sozialverträglicher Lesbarkeit vermittelt Sieren der einheimischen Leserschaft sein Credo: Dass China drauf und dran sei, Deutschland in der weltwirtschaftlichen Bedeutung zu überholen, und mehr noch: Dass die Chinesen über ein "Monopol im Bereich der großen, stabilen Zukunftsmärkte verfügen" und ihr darob zu erwartender Aufstieg "leider zu unseren Lasten geht". Keine all zu rosigen Aussichten. Aber bei Sieren kommen sie ohne Larmoyanz daher, anschaulich und unterhaltsam beschrieben. Kein Buch für Wissenschaftler und China-Freaks, sondern für den interessierten deutschen Mainstream, der wissen will, was im Zuge der Globalisierung auf ihn zukommt. "Deutschland hängt an China", sagt Sieren, und er kann es belegen. Die Deutschen sind der größte europäische Investor im Reich der Mitte. Aber anders als bei den meisten Export-Geschäften werde man von den wirtschaftlichen Beziehungen mit China nicht unmittelbar profitieren. "Die Hoffnung, vom chinesischen Boom genug abzubekommen, um unseren Lebensstandard halten zu können, wird sich nicht erfüllen" - so lautet Sierens klare Ansage. Die Chinesen kauften wenig Waren in Deutschland, aber um so mehr Produktionsanlagen. Mit dem erworbenen Knowhow würde längerfristig allein der innerchinesische Aufschwung angekurbelt, nicht die deutsche Konjunktur. Das klingt nach Kulturpessimismus, ist aber nicht so gemeint. Eigentlich, sagt Frank Sieren, sorge der chinesische Boom lediglich für eine gerechtere Verteilung des weltweiten Wohlstands - allerdings zu Lasten der Deutschen, die von China aus betrachtet behäbig, traditionalistisch und überbürokratisiert wirken, ein "Volk von Archivaren, die liebevoll das schon Erreichte pflegen". Sierens Empfehlung: "Höchste Zeit, die eigene Position zu überdenken", und darüber hinaus: Von den Chinesen lernen, statt Vorurteile über sie zu pflegen. Mit dieser Mission geht er im Frühjahr auf Lesereise durch Deutschland. Sein erst vor wenigen Tagen erschienenes Buch hat den Markt schon kräftig aufgemischt. Sein Vortrag im April beim renommierten Siemens-Forum in München ist restlos ausgebucht. Vielleicht klappt es ja auch mit einer Lesung in Trier. Das würde dem "Lebensabschnittstrierer", wie er sich heute noch bezeichnet, besonderen Spaß machen. "Der China Code" ist am 1. März bei Econ erschienen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort