"Himmelschreiende Ungerechtigkeit"

TRIER. Alleinerziehende verlieren künftig steuerliche Vorteile, wenn sie zum Beispiel mit einem Partner zusammenleben oder wenn eines ihrer Kinder den Anspruch auf Kindergeld verliert, weil es volljährig geworden ist. Hintergrund: Der Haushaltsfreibetrag wurde aufgehoben und durch einen so genannten Entlastungsbetrag ersetzt.

Tina Vogel ist glücklich. Endlich hat sie wieder einen Freund: Tom. Er ist aus Trier, arbeitet aber in München. Nur am Wochenende können sie sich sehen, dann wohnt er bei der 30-Jährigen und ihren beiden Kindern Tobias (9) und Tabea (3), in ihrer geräumigen Dachgeschosswohnung. Sein Zimmer in Trier hat er aufgegeben. Ordnungsgemäß hat er sich umgemeldet und seinen neuen Wohnsitz bei der allein erziehenden Tina Vogel angemeldet. Doch diese Wochenendbeziehung könnte für das flippige Mitglied der TV -Familie Vogel finanzielle Folgen haben. Denn durch das im Dezember eilends verabschiedete Haushaltsbegleitgesetz ist der Haushaltsfreibetrag aufgehoben worden und durch den Entlastungsbetrag ersetzt worden. Die Voraussetzungen für den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sind enger geworden, als sie es beim früheren Haushaltsfreibetrag waren. Die Steuerlast von Alleinerziehenden mindert sich pauschal um 1308 Euro jährlich. Allerdings nur, wenn die auch als Alleinerziehende gelten. Denn seit diesem Jahr ist nicht jeder, der alleine, ein Kind erzieht, Alleinerziehender. Bundesfinanzminister Hans Eichel hat sich ein paar Feinheiten einfallen lassen, die vielen Betroffenen noch gar nicht bewusst sein dürften. Denn laut Bundesfinanzministerium ist ein Alleinerziehender nicht mehr ein solcher, wenn - wie im Falle Tina Vogel - neben den Kindern, für die es Kindergeld gibt, noch ein Lebenspartner in dem Haushalt wohnt, unabhängig davon, ob dieser nur ein paar Tage anwesend ist. Sobald der Partner seinen Wohnsitz dort angemeldet hat, gilt die Mutter nicht mehr als allein erziehend und sie muss ihre Lohnsteuerkarte und Steuerklasse ändern lassen. Laut dem Bitburger Steuerberater Heinz-Peter Fuchsen macht dies bis zu 40 Euro pro Monat aus, die De-facto-Alleinerziehende weniger haben. Doch selbst wenn ein Alleinerziehender weiter Single bleibt oder der neue Lebenspartner nicht in die Wohnung einzieht, gibt es Fallstricke. Zum Beispiel, wenn eins von zwei Kindern 18 wird und sich noch in der Ausbildung befindet, also kein Kindergeld mehr erhält. Das zweite Kind ist noch minderjährig und bekommt Kindergeld. Trotzdem gilt ein Alleinerziehender dann nicht mehr als Alleinerziehender und er muss diese Änderung dem Finanzamt mitteilen. Unterlässt der Alleinerziehende die Meldung ans Finanzamt droht ihm eine Steuernachzahlung. "Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit", nennt Fuchsen diese Gesetzesänderung. Sie betreffe mal wieder die ohnehin oft nicht gerade Finanzstarken, "die auf jeden Cent angewiesen sind". "Das Ganze hat doch nichts mehr mit der Förderung von Familien zu tun. Hier werden vor allem Frauen benachteiligt", macht sich Fuchsen Luft. Für den Bitburger Steuerexperten stellt sich die Frage: "Wer soll denn das alles kontrollieren?" Er befürchtet, dass mit dieser "hirnrissigen" Gesetzgebung viele Leute in die Illegalität getrieben und zu Steuerhinterziehern gemacht werden. Wer meldet schon gerne freiwillig etwas, wenn er dadurch mehr Steuern zahlen muss? Tina Vogel war die Gesetzesänderung bislang nicht bewusst. "Echt toll, endlich hab ich mal wieder ein bisschen Glück im Leben - und schon werde ich bestraft", beschwert sie sich. Die TV-Familie Vogel ist frei erfunden, aber nicht unrealistisch. Sie gibt den TV-Lesern Tipps für den Alltag.

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