Hoffnung für hochverschuldete Verbraucher

Heraus aus der Schuldenfalle: Um Betroffenen zu helfen, hat das Bundeskabinett gestern ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren beschlossen. Es soll im Frühjahr 2008 wirksam werden.

Berlin. Immer mehr Menschen in Deutschland sind verschuldet. Nach Schätzungen von Experten liegt die Zahl der überschuldeten Privathaushalte inzwischen bei weit über drei Millionen. Können die laufenden Kosten nicht mehr beglichen werden, kommt eine rasante Abwärtsspirale in Gang. Mahnschreiben, Lohnpfändung, Gerichtsvollzieher und Wohnungskündigungen setzen die Betroffenen unter enormen Druck. Vor acht Jahren hat der Gesetzgeber deshalb einen schwierigen, aber machbaren Ausweg aus dem Schuldensumpf geebnet. Es handelt sich um das sogenannte Verbraucherinsolvenzverfahren, bei dem der Schuldner auf eine Restschuldenbefreiung hoffen darf, wenn er sechs Jahre lang unter gerichtlicher Aufsicht soviel Geld wie möglich an seine Gläubiger zurückzahlt. In dieser Zeit hat der Schuldner keine Pfändungen mehr zu befürchten. Zuletzt ist die Zahl der Verfahren drastisch angestiegen. 2006 registrierten die Gerichte 92 844 Fälle - ein Drittel mehr als noch im Jahr zuvor. Das im Grundsatz bewährte Gesetz verursacht allerdings viel Bürokratie und hohe Kosten. Deshalb hat das Bundeskabinett gestern ein vereinfachtes Entschuldungsverfahren beschlossen, das im Frühjahr 2008 wirksam werden soll. Laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kommt die Neuregelung für jene 80 Prozent der Schuldner infrage, die kein Vermögen haben. Für sie beginnt die Sechs-Jahres-Frist eher, weil die bislang nötige Gerichtsverhandlung nach Eröffnung des Verfahrens wegfällt. Entsprechend schneller kann der Betroffene auch mit der Befreiung von seiner Restschuld rechnen. Für die Feststellung des Schuldner-Vermögens werden wahlweise Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater zuständig. Zypries geht davon aus, dass die Länder auf dieses Weise pro Jahr 150 Millionen Euro an Gerichts- und Verwaltungskosten sparen. Pfändungsgrenze: 985 Euro im Monat

Für den Gläubiger ändert sich nichts. Wie bislang sollen die gepfändeten Einkünfte einmal jährlich durch einen Treuhänder des Schuldners an die Gläubiger verteilt werden. Die Pfändungsgrenze, also das Existenzminimum für einen allein stehenden Erwachsenen, liegt bei 985 Euro im Monat. Erst was darüber hinaus anfällt, muss an den Treuhänder abgeführt werden. In der Praxis gibt es deshalb bei vielen Schuldnern überhaupt nichts zu verteilen. Gleichwohl hält Zypries eine Beteiligung des Schuldners an den Verfahrenskosten für geboten. Damit werde ihm deutlich gemacht, dass er nur über gewisse Eigenanstrengungen eine Entschuldung erreichen könne. Eine Entschuldung zum Nulltarif soll es in Zukunft nicht mehr geben. Vorgesehen ist ein Kostenbeitrag von 25 Euro zu Beginn des Verfahrens. Hinzu kommen laufende Zahlungen von monatlich 13 Euro während der sechsjährigen "Wohlverhaltensperiode". Damit sollen zumindest die Kosten für den Treuhänder abgedeckt werden. Im Durchschnitt fallen heute für ein privates Insolvenzverfahren Kosten von 2300 Euro an. Den Betrag zahlen die Länder. Durch das vereinfachte Verfahren sollen es künftig nur noch 750 Euro sein. Eine Neuregelung, wonach die Kündigung eines Girokontos wegen des Zugriffs von Gläubigern nur noch ausnahmsweise möglich sein sollte, wurde zurückgestellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort