Internet-Abzocker kassieren kräftig ab

TRIER/HAMBURG. Auch wenn den Hamburgern Ermittlern ein Schlag gegen Internet-Kriminalität geglückt ist, glaubt niemand daran, dass damit die Abzocke über unseriöse Dialer ein Ende hat.

In den frühen Morgenstunden stürmten Polizisten und Staatsanwälte am Montag das achtgeschossige Bürogebäude in der Hamburger Nordkanalstraße. Die Firma Hanseatische Abrechnungssysteme (HAS) hatte dort ihre Büros. Eine Firma, die bei vielen Internetnutzern in den vergangenen Wochen für Ärger gesorgt hat. Sie verschickte Rechnungen für die Nutzung angeblicher Internetdienstleistungen und für ein einmonatiges Abo für eine kostenpflichtige Sex-Seite. Doch die Rechnungsempfänger hatten keinen Vertrag mit der Firma abgeschlossen. Nachdem der TV mehrfach über die üble Internet-Abzocke berichtete, meldeten sich Betroffene, die nicht wussten, ob sie bezahlen sollten oder nicht. Die Verbraucherberatung Rheinland-Pfalz warnte davor, die Rechnungen zu bezahlen, riet dazu, schriftlich Widerspruch einzulegen und notfalls Anzeige zu erstatten. Das haben auch viele Empfänger der Rechnungen getan, wie ein Sprecher des Trierer Polizeipräsidiums gestern bestätigte. In allen Polizeistellen der Region seien in den vergangenen Wochen unzählige Anzeigen eingegangen, die man an die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Hamburg weiter gegeben habe. Über 1500 Anzeigen aus ganz Deutschland liefen dort seit Jahresanfang ein, knapp 1200 Akten umfasst das Verfahren mittlerweile. An mehr als 170 000 Adressen hatte das Firmennetzwerk, zu dem neben der HAS unter anderem auch das Hamburger Forderungsmanagement (HFM) und die Digital Web Limited gehörten, Rechnungen verschickt. An die Adressen kamen sie durch so genannte Dialer, die sie in Werbebannern auf Internetseiten verbargen. Beim Anklicken öffnete sich kurzzeitig ein Dialer, der zu einer Frankfurter Nummer führte. Dort wurde dann die Telefonnummer des Internetsurfers registriert. Anhand der Nummer wurden dann Name und Adresse ausfindig gemacht, oder es wurde unter der Nummer angerufen und unter fadenscheinigen Begründungen die Adresse erfragt. Über 2,5 Millionen Euro sollen so ergaunert worden sein. Wie viele Geschädigte es tatsächlich gibt, kann derzeit niemand sagen."Gewerbsmäßiger Betrug"

Gegen die beiden HAS-Geschäftsführer, die in Quickborn bei Hamburg und auf Mallorca gemeldet sind, wird nun wegen Betrugs ermittelt. Als der TV vor einigen Wochen in Sachen Internet-Abzocke bei der Hamburger Firma HFM nachfragte, wurde dort versichert, dass alles legal sei und man keinesfalls mit einem Dialer-Programm arbeite. "Gewerbsmäßiger Betrug" vermutet hingegen die Staatsanwaltschaft hinter der Masche. Sie ermittelt derzeit noch in weiteren, ähnlichen Fällen. Und Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft, ist sicher, dass diese Form der Abzocke künftig noch öfter versucht werden wird. Das Problem der Ermittler: Sie können nur zugreifen, wenn sich der Firmensitz in Deutschland befindet. "Mit der heutigen Technik kann ich genauso gut im Urwald oder auf dem Mount Everest die Leute abzocken", sagt Bagger. So wurden erst diese Woche fünf mutmaßliche Betrüger in Spanien festgenommen, die knapp 35 Millionen Euro durch Dialer kassiert haben sollen. Für ausländische Firmen gelten die deutschen Verbote für teure 0190-er-Dialer nicht. Da hilft nur der Selbstschutz der Internetnutzer durch entsprechende Programme.

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