Keine Einnahmen, aber neue Löcher

Berlin. Zäh zieht sich der Streit um die LKW-Maut dahin - ohne dass eine Lösung in Sicht wäre. Auch die neuerliche Anhörung des zuständigen Verkehrsministers Manfred Stolpe im Verkehrsausschuss sowie im Haushaltsausschuss des Bundestages brachte am Mittwoch keine neuen Erkenntnisse.

Zwar durften die Parlamentarier endlich Einsicht nehmen in den bislang geheim gehaltenen Vertrag zwischen dem Bund und der Betreiberfirma Toll Collect, doch waren die wesentlichen Details der Abmachungen ohnehin weitgehend bekannt. Nach Lage der Dinge muss Toll Collect, hinter der sich so renommierte Unternehmen wie DaimlerChrysler und die Telekom verbergen, ab Dezember täglich 250 000 Euro Strafe zahlen, wenn das Mautsystem bis dahin nicht funktioniert. Es wird bis dahin nicht funktionieren, denn nichts deutet darauf hin, dass sich die vor allem durch das Erfassungsgerät verursachten Probleme in absehbarer Zeit lösen lassen. Gleichwohl stehen die dann monatlich 7,5 Millionen Euro Strafe in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Schaden: Dem Bund entgehen durch Nichterhebung der Maut pro Monat 156 Millionen Euro Einnahmen. Da mittlerweile mit einem Maut-Start nicht vor dem 1. März gerechnet wird, könnte sich der rechnerische Schaden auf 1,1 Milliarden Euro summieren.Einnahmen sind bereits im Haushalt verplant

Besonders ärgerlich für die rot-grüne Bundesregierung: Die Maut-Einnahmen sind bereits im Bundeshaushalt eingeplant, was beträchtliche Deckungslücken verursachen würde. Stolpe war gestern ganztägig in Sachen Maut unterwegs. Schon am frühen Morgen hatte er die SPD-Verkehrsexperten vorinformiert, dann dem Kabinett berichtet, schließlich den Ausschüssen Rede und Antwort gestanden. Die Opposition,namentlich der Verkehrsausschuss-Vorsitzende Eduard Oswald (CSU), wusste schon vor der Sitzung, was Sache ist: Per Fax teilte er mit, dass der Gesamtzkomplex Maut "gravierende Schwachpunkte" aufweise und die zu erwartende Deckungslücke im Haushalt "wichtige Straßenbauprojekte" gefährde. Ähnlich äußerte sich der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer, der zudem abermals den Rücktritt des Ministers forderte. Auch Ausschussmitglied Heidi Wright (SPD) beklagte die "unbefriedigende Antwort" der Bundesregierung, stellte sich jedoch hinter das Bemühen des Ministers, das Mautsystem schnellstmöglich "zum Laufen zu bringen". Aus finanz-, verkehrs- und industriepolitischen Gründen sei das Gelingen absolut im Interesse der Bundesrepublik, sagte sie nach der Sitzung. Allerdings rechnet auch Wright nicht mit einer baldigen Lösung der Probleme. Dem Vernehmen nach verhandelt ab der nächsten Woche eine ministerielle Expertengruppe unter Leitung von Verkehrs-Staatssekretär Ralf Nagel mit Toll Collect über das weitere Vorgehen. Dabei müsse Toll Collect seine Fähigkeit nachweisen, das Erfassungsgerät tatsächlich bauen und in angemessener Zeit herstellen zu können, hieß es aus dem Ministerium. Möglicherweise könne der Bund dem vertragsbrüchig gewordenen Unternehmen auch neue Fristen einräumen. Den "Supergau" (Wright) wollen jedenfalls alle Beteiligten vermeiden: Eine Kündigung der Verträge sei zwar zum 15. Dezember möglich, so Stolpe-Sprecher Felix Stehnschke (und auch machbar, weil die gewerblichen Schutzrechte des Systems beim Bund liegen). Aber dann müsste eine neue Ausschreibung erfolgen, was den Start des einst so hoffnungsvoll angekündigten Projekts auf unabsehbare Zeit verschieben würde. Deshalb, sagte Stehnschke, "denken wir jetzt nicht an Scheidung, sondern wollen den Ehevertrag erfüllen".

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